<<Ulms Industriegebiete

Ulms Industriegebiete und Industriegleisanlagen

Schillerstraße / Dichterviertel / Obere Bleiche
(ca. 1880 - 1906)


Schillerstraße, Dichterviertel und Obere Bleiche sind keine Industriegebiete im eigentlichen Sinn. Sie spielen in der industriellen Entwicklung Ulms aber eine wichtige Rolle.

Wie noch bis in die Anfänge des 20.Jahrhunderts hinein üblich, finden sich auch hier Arbeits- und Wohnstätten in enger Nachbarschaft. Beim Ausbau der sog. Neustadt, dem Gelände zwischen der mittelalterlichen Stadtmauer und den Wallanlagen der Bundesfestung, blieben die durch die alten Mühlen gebildeten gewerblichen Schwerpunkte erhalten.
Neben neuen Wohnblocks, die sich teilweise über ganze Straßenzüge erstrecken, entstanden besonders in der Bleichstraße auch neue Betriebe.

Die Obere Bleiche, Sitz des Kupfer- und des Eisenhammers, konnte aufgrund der Rayongesetzte nicht viel zur Lösung der innerstädtischen Platzprobleme beitragen, für die Firma Schwenk blieb sie bis heute ein wichtiger Standort.

Stadtplan ca. 1905     (anklicken zum Vergrößern)

Schillerstraße
Durch den Bau der Bundesfestung bildeten nun die Wallanlagen zwischen Blaubeurer Tor, Ehinger Tor und Oberer Donaubastion die westliche Stadtgrenze. Dieser Bereich war jedoch durch die von Norden nach Süden verlaufende Bahnlinie und den Bahnhof vom übrigen Stadtgebiet ziemlich abgeschnitten und konnte nur über einen mit Schranken versehenen Übergang in der Ehinger Straße, einen Fußgängersteg am Bahnhof und später einer Brücke vor dem Blaubeurer Tor erreicht werden. An dieser Situation hat sich bis heute nicht viel geändert.

Die Schillerstraße wurde 1874 als solche ausgewiesen. Sie beginnt an der oberen Donaubastion und endigte damals auf dem Holzverladeplatz des Bahnhofs. Der Abschnitt bis zum Blaubeurer Tor gehörte bis 1885 noch zur (alten) Blaubeurerstraße


C.D.Magirus - Schillerstraße 2

Der Illerflößerei war durch die Eisenbahn eine ernsthafte Konkurrenz erwachsen. Die Ulmer Holzhändler, deren Büros und Holzlager hauptsächlich zwischen den westlichen Mauern der Bundesfestung und der neuen Bahnlinie nach Friedrichshafen lagen, profitierten zwar auch vom Holzladeplatz am Bahnhof, immer größere Mengen wurden jedoch direkt im Allgäu verladen und kamen nicht mehr über Ulm. Die Stadt, der die meisten Holzlagerplätze gehörten, konnte also bedenkenlos knapp 50.000 qm Grund gegenüber der oberen Donaubastion entbehren und 1885 an Conrad Dietrich Magirus verkaufen.
Magirus wollte seine Feuerwehrrequisitenfabrik auf der Promenade erweitern, durfte das aber wegen der dort geltenen Baustatuten nicht. Das Gelände gegenüber der Donaubastion (Schillerstraße 2) wurde dann zum Werk I der Magirus-Werke.


Schillerstraße 3-30

Auch das Deutsche Reich suchte zur Modernisierung der Bundesfestung weiteren Baugrund und errichtete nördlich der Ehingerstraße eine Feldartillerie-Kaserne, die sog. Schillerkaserne (Schillerstr. 30). Der Bereich südlich der Zinglerstraße (Schillerstr. 5-7) wurde schon zur Zeit der Bundesfestung als Lager und Magazin genutzt. Die heute noch bestehend Reithalle war, wie die Donaubastion, Teil der militärischen Anlagen der Bundesfestung, hatte aber als Anschrift den damals von der Ehingerstraße aus parallel zur Schillerstraße verlaufenden Ziegelländeweg.

Erste zivile Bauten im Bereich südlich der Schillerkaserne entstanden mit dem Ausbau der Zinglerstraße, die auf Höhe des Hauses Zinglerstraße 42 (Wirtschaft z.Herzog Albrecht) gekreutzt wird. Auch die heute noch dem Namen nach bestehende Wirtschaft z.Schillergarten (Schillerstr. 3) wurde zu dieser Zeit gegründet.

An der Ostseite der Schillerstraße entstanden hauptsächlich Wohnhäuser. Die Flächen auf der westlichen Straßenseite zwischen der Zinglerstraße und der Donaubastion blieben bis zum 2.WK Lagerflächen der Militärverwaltung.


Emil Herbst - Schillerstraße 15, Zinglerstr. 54

Die Wäsche-, Schürzen- und Trikotwarenfabrik wurde von dem Kaufmann Friedrich
→ Emil Herbst
1880 gegründet und hatte ihren Sitz zuerst in der Platzgasse, dann in der Kasernenstraße 22. Mit der Stadterweiterung Richtung Ehinger Tor zog die Fabrik 1904 in einen Neubau an der Kreuzung Schillerstraße - Zinglerstraße. Das Firmengelände reichte im Norden bis nahe an die Ehingerstraße, im Westen bis zum Bismarckring wo Emil Herbst in der Nr. 44 auch seine Wohnung hatte. Die Hausanschrift war zwar die Zinglerstraße, Firmeneingang sowie das Haus des Prokuristen und des Hausmeisters lagen aber an der Schillerstraße.

Im Vordergrund die Kreuzung Zinglerstraße - Schillerstraße

Die Firma E.Herbst ist zwar bis Mitte der 1980er Jahre in der Schillerstraße 15 gemeldet, produziert hat man da aber schon lange nicht mehr.


Schillerstraße 33
→Marner Walk

Die Marner Walk ist eine Mühle, die schon seit mehreren hundert Jahren an dieser Stelle steht und den Tuchmachern gehörte. Neben den Stampf- und Walkwerken wurde über ein Wasserrad auch eine Schleifferei angetrieben.

1860 kauft der Kaufmann Georg Kiderlen einen Teil der Gebäude und verpachtet ihn an den Lacklederfabrikanten Johann Michael Eckart. Eckart zieht aber schon 1869 wieder weg in den Blumenscheinweg 1, der späteren →Bleichstraße 1.

1878 ist als Inhaberin eines Teils der Marner Walk die Witwe von →Joh. Georg Wieland, dem Besitzer der Langmühle, eingetragen. Neben der Schleifferei hat nun auch der Fournierschneider Ulrich Straub hier seine Werkstatt.
Die nächsten zehn Jahre bleibt es aber noch bei einer kleingewerblichen Nutzung bis Mitte der 1880er Jahre die
→Gebr. Schneider
mit einer Metalldrückerei und
→Alexander Kohnle
mit einer Wollmatratzenfabrik einziehen.

Kohnle zieht es aber bald in die Obere Bleich, für
→Johannes Eckhardt
ist das die Gelegenheit, um die platzaufwendige Sägerei seiner Maschinenfabrik aus der Altstadt zu verlegen.

Mitte der 1920er Jahre überlässt Eckhardt das Sägewerk Anton Hutter, der daraus eine Stielefabrik macht. Aber schon nach kurzer Zeit gibt er diesen Betrieb weiter an
→Franz Josef Heni
.
Heni bleibt dann bis nach dem 2.WK in der Marner Walk, die sich auf Grund ihrer alten Gebäudestruktur nie für eine industrielle Produktion geeignet hat. Die Gebäude werden im Krieg zerstört. Ob, wie in den Büchern vermerkt, das Sägewerk danach wirklich noch für ein paar Jahre in Betrieb ging, ist ungewiss.


Schillerstraße 44

Zusammen mit dem Bau der Südbahn nach Friedrichshafen, der ersten württembergischen Eisenbahnstrecke, Eröffnung am 1. Juni 1850, musste in Ulm auch die dafür nötige Infrastruktur geschaffen werden. Dazu gehörten, neben dem Bahnhof, einer Güterhalle und den Anlagen für den Unterhalt und Betrieb der Lokomotiven, auch eine kleine "Gas-Anstalt". Darin wurde das Gas zur Beleuchtung des Bahnhofs hergestellt. Diese Gasfabrik ist noch vor dem ersten städischen Gaswerk in Betrieb gegangen, genügte aber 1875 nicht mehr den Anforderungen und wurde aufgegeben.
Über die Bahnhofsgebäude hinaus konnten sich auch private Kunden anschließen lassen, diese mussten allerdings nach der Erföffnung der städtischen Gasanstalt ihren Versorger wechseln1.

Im Jahr 1891 errichtete an dieser Stelle die Königlich Württembergischen Eisenbahnverwaltung ein Maschinenhaus für die elektrische Beleuchtung des Bahnhofs. Der Antrieb des Generators und einer Pumpe zur Wasserversorgung der Dampflokomotiven erfolgte durch je eine Dampfmaschine2.

Alle Grundstücke und Gebäude der Eisenbahn trugen anfangs noch gemeinsam die Adresse des Bahnhofs, der "Promenade zwischen dem Neuen- und dem Gögglinger Tor" (Lit. H 1). Neben dem Maschinenhaus für die Beleuchtung erhielten später auch das "Betriebswerkstätten-Bureau" (Schillerstr. 54) und die Schlafräume für Eisenbahn-Unterbeamte (Schillerstr. 55) eigene Anschriften.

Die lokale Geschichtsschreibung nennt die Eröffnung des städtischen Elektrizitätswerks in der Olgastraße im Dezember 1895 als Beginn des elektrischen Zeitalters in Ulm. (vgl. →Literaturliste Energie).
Für die privatwirtschaftliche Nutzung mag das stimmen. An der heute als "Gleis 44" bekannte Stelle stand aber nicht nur das erste Gaswerk in Ulm, das Gebäude dürfte auch das erste Elektrizitätswerk im Ulmer Stadtgebiet gewesen sein.

Eine Untersuchung der Bauwerksgeschichte ist derzeit in Arbeit.


Schillerstraße 45

Die Anschrift Schillerstraße 45 taucht erstmals mit Gründung der
→Steinfabrik Ulm AG
im Jahre 1902 auf.
Die Cementwarenfabrikation und das Marmorlager haben ihren Sitz in der Schillerstraße 45 a bis s, das Comptoir die Adresse Schillerstraße 45.
Da es sich bei der Steinfabrik um ein Nachfolgeunternehmen der Zementwarenfabrik Schobinger & Rehfuß in der →Bleichstraße 20 handelt, dürfte es sich hier um das Areal der alten Pulvermühle handeln, dem lediglich eine Adresse an der repräsentativeren Schillerstraße zugewiesen wurde.

Schon wenige Jahre später wurde das Grundstück an die Familie Leube verkauft. Die Steinfabrik behielt hier zwar vorläufig ihren Sitz, es wurden aber weitere Firmen wie die
→Südd. Steinholzwerke Rud. Rometsch
, ein Lager des Marmorwerks
→Eduard Mack
und die "Neue Eisschrank-Industrie" Karl Hof als Mieter aufgenommen.
Nach dem kurzzeitigen Besitz von Leube war eine Terraingesellschaft Schillerstraße Ulm GmbH Grundstückseigentümer. Neben der Steinfabrik, Karl Hof und der
→Sanitas
Fußbodenfabrik als Nachfolger von Rometsch zog hier nun auch die Deutsche Terrazzo-Vekaufsstelle ein.
Die Deutsche Terrazzo-Vekaufsstelle war ein Syndikat mehrerer →Kunststein-Hersteller, um dem vor dem 1.WK herrschenden Wildwuchs in dieser Branche zu begegnen. Eine Zeit lang gaben die Mitglieder dieses Kartells die Schillerstraße 45 als eigenen Firmensitz an.

1914 wird die Terraingesellschaft Schillerstraße Ulm liquidiert und die Deutsche Terrazzo-Vekaufsstelle zieht zurück in ein altes Gebäude der Steinfabrik in der Bleichstr. 20.
Die Schillerstr. 45 bleibt danach ein Magazin und Lager. Das Gelände der Steinfabrik Ulm wird aufgeteilt und in den 1920er Jahren durch die Kleist- und die Herderstraße erschloßen.


Schillerstraße 47

1904 errichtet Friedrich Eckart, Inhaber der Militäreffekten- und Lacklederfabrik
→J.M. Eckart
, auf einem Teilgrundstück von Schobinger & Rehfuß ein neues Wohn- und Geschäftshaus, das er bis 1912 selbst nutzt.
Danach zieht in das Haus die Allgemeine Ortskrankenkasse Ulm ein, die hier auch eine Zahnklinik betreibt.

Industriell genutzt wird das Gebäude dann ab 1929, als es von den
→Brüdern Dannhauser
gekauft und zu einer Wäsche- u. Schürzenfabrik umgebaut wird.
Aber schon wenige Jahre später gehört der Betrieb
→Linsenmaier & Mürdel
. Ob dahinter NS-Machenschaften stecken wäre noch zu klären.

Auch dieses Gebäude fiel dem Bombenhagel des 2.WK zum Opfer.

Dichterviertel
Die Bezeichnung Dichterviertel für den Bereich um die Goethe- und Schillerstraße wurde erst durch die Neugestaltung im 21.Jahrhundert zu einem Begriff. Bis zum 1.WK waren diese beiden Dichterfürsten auch die einzigen Namensgeber n diesem Gebiet.
Im Süden wird das Viertel durch die Böblingerstraße und die Artillerie-Kaserne (heute Landratsamt Alb-Donau-Kreis), nach Norden durch die Brücke zum Blaubeurer Tor (heute in veränderter Lage Ludwig-Erhard-Brücke) begrenzt.

(anklicken zum Vergrößern)
Vom Westen her kommend fließt die Blau auf Höhe des Hauptbahnhofs mit zwei Armen in das Stadtgebiet. Rechts und links dieses kleinen aber kraftvollen Flußes haben sich seit Jahrhunderten →Mühlen angesiedelt. Vor den Toren der Stadt besonders solche, von denen eine stärkere Belästigung ausgeht und die deshalb nicht gern in den engen Gassen geduldet wurden.

Neben den Fabrikneubauten, die in dieser westlichen Neustadt entstanden, weil die Enge der Innenstadt keine Erweiterungen von Betrieben mehr zuließ, nutzten ab der 2.Hälfte des 19.Jh. auch mehrere Unternehmensgründer die Wasserkraft und die Betriebsanlagen dieser alten Mühlen um darin nach entsprechenden Umbauten fabrikähnliche Betriebe aufzubauen.


Bleichstraße 1

Ende der 1850er Jahre zieht
→J.M. Eckart
aus seiner Werkstatt beim Meierhof in ein Nebengebäude der
→Marner Walk
. Die Anschrift wechselt anfangs noch von Lit. N IV 2b über Blumenscheinweg 1 bis zur endgültigen Bleichstr. 1.

Eckart stellte in großem Umfang auch sog. Militäreffekten aus Leder her, also Tragegurte, Koppelriemen, Patronen- und Pistolentaschen usw.
Nach dem 1.WK liefen diese Geschäfte schlecht und so mussten die beiden oberen Stockwerke vermietet werden. Erst zog die Schirmfabrik
→Friedmann & Molfenter
ein, wenig später die Laichinger Schürzen- u. Wäschefabrik AG.
Beide blieben jedoch nicht lange, schon 1929 zieht
→Carl Linse
mit seiner Schäfte u- Lederwarenfabrikation, die er kurz vorher im 1. und 2.Stock begonnen hatte, in das Erdgeschoss. Den 2.Stock belegt
→Karl Kraft
mit seiner Verbandstofffabrik, den 1.Stock teilen sich beide.
Mit den Kriegsvorbereitungen der Nazis laufen dann auch die Geschäfte der Firma J.M. Eckart wieder besser. Kraft zieht aus und Eckart, der inzwischen auch Feuerwehrausrüstungen herstellt, erweitert seine Produktionsflächen.


Bleichstraße 13

Wie viele andere Holzhändler auch, besaßen die Molfenters in der Nähe der Holzverladung am Bahnhof einen eigenen Lagerplatz.
Als Firma
→J.A.Molfenter & Cie.
errichteten sie dort nach 1890 ein Dampfsäge- u. Hobelwerk mit zwei Dampfmaschinen.
Der Platz scheint aber nicht ausgereicht zu haben, mit dem Ausbau des Industriegebiets am Westgleis zog der Betrieb in die Blaubeurer Straße, wo er auf dem sog. MOCO-Areal bis nach der Jahrtausendwende blieb.

Die Bleichstraße 13 wurde in das Firmengeläde der →Steinfabrik Ulm integriert. (s. Schillerstr. 45)


Bleichstraße 16-18
→Lohmühle

Die der Rotgerberzunft gehörende alte Lohmühe wurde zum Ende des 19.Jahrhunderts nur noch als Lager und Scheune genutzt.
Kurz vor dem 1.WK übernahm die Stadt Ulm das Gelände und verpachtete es nach dem Krieg an die Wetzstein- und Marmorwerke
→E.F. Bühler
.
Die Leistung der Steinsäge in der Lohmühle scheint aber nicht ausgereicht zu haben. Wenige Jahre später zogen die Südd. Wetzsteinwerke AG dann in die Obere Bleiche. Das weiterhin der Stadt gehörende Areal der Lohmühle wurde aufgelassen.


Bleichstraße 19/20
→Pulvermühle

Die Pulvermühle war lange Zeit in den Händen der Familie Beiselen, allerdings war die von einem eigenen Wasserrad angetriebene Säge schon in den Anfangsjahren des 19.Jahrhunderts im Besitz eines Sägmüllers.
Um 1870 kauft der Zimmermeister
→Jakob Kirschmer
Gips- und Sägmühle. Die Säge betreibt er weiter, in der Gipsmühle richtet er eine Zementwarenfabrikation ein.

Zwanzig Jahre später zieht sich Kirschmer aus dem Geschäftsleben zurück und verkauft das Grundstück an
→Karl Beiselen
, den Sohn des Vorbesitzers der alten Pulvermühle.
Beiselen verarbeitet in der umgebauten Gipsmühle ein Nebenprodukt der Eisen- und Stahlerzeugung, die sog. Thomasschlacke, zu einem phosphatreichen Düngemittel. Den Sägewerksteil verpachtet er an die Zementwarenfabrikanten
→Schobinger & Rehfuß
, die dort ein Lager einrichten.

Schon nach 2 Jahren gibt Beiselen die Pulvermühle auf und zieht mit seiner Thomasmehl-Mühle in die
→Stampfe
nach Söflingen. Schobinger & Rehfuß übernehmen das Areal und bringen es nach der Jahrhundertwende in die neu gegründete
→Steinfabrik Ulm
ein. Deren erster Direktor wird Anton Rehfuß, der neue Firmensitz die →Schillerstraße 45.


Bleichstraße 26

Um das Jahr 1870 kauft der Gerbermeister
→Friedrich Schäfer
eine Lohhütte im Umfeld der Lohmühle. Die damalige Anschrift lautete noch Blumenscheinweg 6. Er erweitert damit seine Gerberei, die er seit 1856 im Oberen Lederhof (Lit. B 95) betrieben hat, und stellt mehrere Arbeiter ein.
1898 übernimmt sein Sohn Karl die Leitung, reißt die alten Gebäude ab und errichtet einen Fabrikneubau.
Das Unternehmen, die spätere Schäfer Technik GmbH, Hersteller von Maschinenelementen aus dem Bereich der Antriebs- und Fördertechnik, behält hier bis zu ihrem Umzug nach Neu-Ulm im Jahr 2017 ihren Sitz.
Im Rahmen der Neugestaltung des Dichterviertels wurden die Gebäude 2022 abgerissen

Obere Bleiche / Beim Blumenschein
Auch wenn die Obere Bleiche nicht zur Neustadt gehört - sie wurde schon im Spätmittelalter besiedelt und trug bis kurz vor dem 2.WK die Anschrift "Ausserhalb" - darf sie wegen ihrer industriegeschichtlichen Bedeutung und ihrer Rolle für die Betriebe aus der Neustadt nicht unerwähnt bleiben.

Das Areal der Oberen Bleiche umfasst die Obere Bleicher Walk (Nr. 1-6), den Eisenhammer (Nr. 8), den Kupferhammer (Nr. 9-11) und die Ausflugswirtschaft "Zum Blumenschein" (Nr. 12).


Ausserhalb Nr. 1-6
→Obere Bleicher Walk

Zur Oberen Bleicher Walk gehörten sechs Gebäude auf der Blauinsel, die sich entlang der (nördlich gelegenen) Kleinen Blau gruppieren. Die eigentliche Walkmühle, in der Textilien durch Stampfen verfilzt und damit wärmender und wasserdichter gemacht wurden, stand an der Trennung von Großer und Kleiner Blau, dem sog. Oberen Schied, nach dem die Straße "Beim B'scheid" benannt ist.

Seit Ende des 18.Jh. nutzte die
→Familie Wechsler
die Kräfte der Mühlräder zur Tabakherstellung.
Anfang der 1850er Jahre gibt Wechsler die Obere Bleicher Walk als Tabakmühle auf. Das Anwesen wurde vom Besitzer der Bleiche, Max Heinrich, übernommen und 1880 an den Herausgeber des Ulmer Tagblatts, →Friedrich Ebner, verkauft.
Ebner ist auch Inhaber einer Druckerei, man kann daher davon ausgehen, dass die Ansiedlung der Druckfarbenfabrik
→Hermann Gauger
in einem umgebauten Gebäude der Walke auf ihn zurückgeht.

Max Heinrich war einer der ersten, die sich in Ulm eine Gasbeleuchtung in ihrem Haus geleistet haben. Das Gas dazu bezog er aus der Gasfabrik des Ulmer Bahnhofs. Die Leitung vom Werk (s. →Schillerstr. 44) bis in die Obere Bleiche wurde auf Kosten der Eisenbahnverwaltung gebaut. Er selbst musste sich nur zum Verbrauch von Gas für 15 Brennstellen verpflichten1.

Obere Bleicher Walk um 1900

Zehn Jahre später zieht
→Alexander Kohnle
mit seiner Wollmatratzenfabrik von der Marner Walk in ein weiteres Gebäude in der Oberen Bleiche. Beide Unternehmen bleiben dort, bis die Stadt Ulm im Jahr 1907 die Obere Bleiche kauft.
Auf das Gelände zieht nun
→Eduard Mack
, vormals Teilhaber der →Steinfabrik Ulm, und betreibt hier bis zum 1.WK sein Marmorwerk.

Nach dem Krieg scheinen die Geschäfte von Mack schlecht gelaufen zu sein. Er firmiert nur noch als "Agentur in Stein, Holz und Metall", das Marmorwerk wird von Friedrich Bühler in seine
→Südd. Wetzsteinwerke
übernommen. Ein anderer Teil der Oberen Bleiche vermietet die Stadt als Holzlagerplatz.
Bühler wird wenig später von der Hanauer Firma Hauenstein & Co. übernommen, die in den Gebäuden Nr. 1 und 2 bis ca. 1930 weiter eine Steinsäge betrieben.
1925 zieht in das Haus die Nr. 5 die Strickmaschinenfabrik
→"Ulma" Hoffmann & Baitinger
ein aber schon 5 Jahre später wieder aus. Danach wurde die Gebäude der Oberen Bleicher Walk, sofern sie nicht schon abgerissen waren, nicht mehr gewerblich genutzt.


Ausserhalb Nr. 8
→Eisenhammer

Wie der Eisenhammer einmal innen ausgesehen und funktioniert haben könnte kann man in der →Hammerschmiede am Blautopf besichtigen.
Von 1830 bis zur Stilllegung vor dem 1.WK war das Werk im Besitz der Familie Woydt. Danach gehörte es der Fam. Schwenk und wurde von deren Unternehmen genutzt.


Ausserhalb Nr. 9
→Kupferhammer

Der Kupferhammer ist das Stammhaus der Unternehmerfamilie Schwenk, zu denen neben Kupferschmiede auch →Zundelmacher und →Bierbrauer (zur Glocke, zum Stern) gehörten.
Karl Schwenk, der Sohn des Zementfabrik-Gründers Eduard Schwenk, baute den Kupferhammer in eine Zementmühle um. Die Wasserkräfte der Blau genügten jedoch bei Weitem nicht so dass man hier bald auf die Produktion von →Beton-Werk- und Kunststeinen umstieg, für die der fertige Zement aus dem eigenen Werk in Allmendingen kam.

Das Areal des Kupfer- und des Eisenhammers ist heute noch Sitz der Firma
→Schwenk
.


Ausserhalb Nr. 11

Unter Johann Martin Woydt gehörte das Haus Nr. 11 noch zum Eisenhammer. 1853 verkauft er es an den Papiermacher
→Ludw. Rödter,
der dort dann 20 Jahre lang seine Pappendeckelfabrik betreibt.
Ab 1860 wird das Haus als Teil des Kupferhammers geführt. Schwenk übernimmt das Anwesen, nachdem Rödter den Betrieb Anfang der 1870er Jahre aufgab.

Die Obere Bleiche um 1905
links:
Wohnhaus des Kupferhammers (Nr. 9)
mitte:
Haus Obere Bleiche Nr. 11
rechts:
Haus Obere Bleiche Nr. 10


(anklicken zum Vergrößern)

Die zweite Ausbauphase des Bahnhofs


Zwischen 1861 (Illertalbahn) und 1876 (Brenzbahn) entstehen neue Bahnstrecken nach Ulm. Die bisherigen Anlagen genügen den Ansprüchen nicht mehr, der Bahnhof muss erweitert werden. Ausserdem macht sich die trennende Lage des Bahnhofs zunehmend negativ bemerkbar. Ulm ist von seinen traditionell wichtigen Wegen ins Blautal, nach Ehingen und zum Bodensee abgeschnitten.

Im Jahr 1877 wird ein Fußgängersteg eröffnet, der auf Höhe des Hotels Russischer Hof den Bahnhofsplatz mit der Bleichstraße verbindet. Im gleichen Jahr geht auch auf der nördlichen Seite des Bahnhofs von der Zeitblomstraße zum Blaubeurer Tor ein Fahrsteg über die Bahngleise in Betrieb. Die Verkehrsanbindung des Bereichs bei der Loh- und Pulvermühle verbessert sich damit wesentlich.
1890 werden zumindest für Fußgänger die langen Wartezeiten am Übergang in der Ehingerstraße durch den Bau eines Stegs gemildert.

Das Verkehrproblem nach Westen ist damit aber nicht gelöst. Seitens der Stadt wird geprüft, ob nicht das ganze Bahngelände höher gelegt und mittels einer Stahlträgerkonstruktion unterquert werden kann. Dieses Vorhaben scheitert an den Kosten, die die Stadt nicht tragen kann, die Eisenbahnverwaltung nicht übernehmen will. In der Diskussion ist auch eine Verlegung des Hauptbahnhofs in ost-westliche Richtung vor das Blaubeurer Tor (s. →Weststadt/Westgleis). Auch diese Pläne werden aus Kostengründen nicht weiter verfolgt.

Im Bereich des sog. Bodens (s. →Oststadt/Ostgleis) entsteht 1888 ein neuer Güterbahnhof. Mit fast 400.000 Tonnen Güterumschlag jährlich ist Ulm einer der verkehrsreichsten Bahnhöfe Württembergs.
Der Bahnverkehr nimmt weiter zu, die Bahnanlagen wachsen, der Fuhrwerksverkehr ist weiter auf die sich als Fehlkonstruktion erwiesene Brücke am Blaubeurer Tor und die 1904 eröffnete Zinglerbrücke angewiesen.

← vor dem Gögglinger Tor (1836 - 1880) Oststadt / Ostgleis / Im Boden (1890 - 1914) →


Quellen:
1: Albert Haug - Retorten, Gasometer, Exhaustoren (s. →Literaturliste Energie)
2: Albert Gieseler - Kraft- und Dampfmaschinen (Stand 27.Feb.2024)


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