Es gab in der Ulmer Region zwar Versuche Tabak anzubauen, sie scheiterten jedoch an den klimatischen Bedingungen. Trotzdem begann die Firma
1768 mit der Verarbeitung von Tabak, den sie aus der Pfalz, dem Rheinland und Ungarn bezog.
(1770),
(1797) und
(1803) zogen nach.
1Hergestellt wurden überwiegend Schnupftabake, später Rauchtabak. Zigarren und Zigaretten wurden nur in gerigerem Umfang produziert, Kautabak gar nicht.
Schon diese ersten Tabak-Manufakturen suchten mechanische Energiequellen zum Schneiden (Rauchtabak), Mahlen und Stampfen (Schnupftabak) der getrockneten Blätter. Dort, wo man nicht mehr mit der menschlichen oder tierischen Arbeitskraft als Antrieb einer Mühle (Göppel) auskam musste man einen Müller mit der Arbeit beauftragen, ein Wasserrad von ihm pachten oder ein vorhandenes kaufen und umbauen. Eine neue Mühle zu bauen war nicht möglich, die alten Mühlen an der Blau waren die einzigen nutzbaren Triebwerke und deren Kapazität war schon vollständig ausgereizt. Andere Antriebe, wie Windmühlen oder Schiffsmühlen in der Donau, funktionierten in Ulm nicht, Dampfmaschinen kamen erst später auf.
Das erste Wasserrad für eine Tabakmühle wurde von Wechsler und Seipel 1774 gemeinsam in der
angemietet. 1788 kauften sie zusammen ein Rad, das zum Kupferhammer gehört hat und bis dahin von einem Schwertschleifer genutzt wurde. In der
, die wie die meisten Ulmer Mühlen über 4 Räder (sog. "Gänge") verfügte, wurden zeitweise 2 Gänge als Tabakmühle verwendet. In der
und der
dienten je 1 Gang der Tabakherstellung und selbst bis in die Söflinger Mühlen (Kächelesmühle, später Drahtzug Beck und Fraidel, später
) wich man aus um an Antriebskräfte zu kommen.
Auch die Stadtverwaltung versuchte die Energieknappheit durch die Verpachtung nicht benötigten Wassers ihren
→Brunnenwerken zu lindern. In einem Nebenwerk des Glockenbrunnenwerks wurde neben einer Säge auch ein Tabakrad angetrieben; das Nebenwerk am Neuthorbrunnenwerk wurde 1810 gleich als Tabakmühle errichtet.
Ab den 1860er Jahren konnten die für eine Tabakmühle nötigen geringen Antriebskräfte von Dampfmaschinen
übernommen werden.
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Die Herstellung von Tabakwaren erfolgte jedoch nicht nur in den Tabakmühlen. Wichtige Produktionschritte wurden direkt am Sitz der Manufakturen in der Innenstadt ausgeführt. Dazu gehörte das Rösten, das Sieben und das Mischen des Tabaks. Diese Arbeiten waren aber mit erheblicher Staub- und Geruchsbelästigung der Umgebung verbunden so dass es in der Nachbarschaft öfter zu Beschwerden kam.
Die vier großen Manufakturen beschäftigten 1806 noch ca. 200 Arbeiter, mussten aber bald danach viele davon entlassen weil der freie Handel der Tabakwaren nach der Eingliederung Ulms in das Königreich Württemberg stark reglementiert und besteuert worden war. Bis dahin konnte man durch den Export nach Baden, Bayern, Sachsen und der Schweiz den Hauptumsatz erlösen.
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Joh. Heinrich Seipel starb 1804. Die von seiner Frau und den Teilhabern weitergeführte Firma Seipel & Co. musste 1812 wegen Überschuldung Vergleich anmelden. Ursache für den Niedergang waren neben Währungsverlusten beim auswärtigen Handel auch eine zu geringe Eigenkapitalquote. Ca. 1820 wurde das Unternehmen an
→ Johann Christof Kispert
verkauft, der dann jedoch schon vor 1842 ebenfalls aufgeben musste.
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Vor 1830 endet auch die Geschichte der Schnupftabakfabrik Seeger, wahrscheinlich, weil der Inhaber verstorben ist.
Nach ca. 1840 teilten sich die Firmen Wechsler und Bürglen das Ulmer Tabak-Geschäft weitgehend untereinander auf bis 1881 Bürglen auch Wechsler übernahm. Vom Wohlstand dieser beiden Unternehmer zeugten bis zur Zerstörung im 2.WK deren Villen auf der Wilhelmshöhe und beim Kornhaus.
Bildmarken 1911
In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts widmeten sich darüber hinaus mehrere Ulmer Kaufleute dem Tabak. Es lässt sich heute kaum noch nachvollziehen, wer sich auf den Handel beschränkte und wer darüber hinaus in kleinen Manufakturbetrieben auch Tabakprodukte herstellte. So soll der Kaufmann Johann Nachtrab, Sohn der Dorothea Seipel und Enkel des Firmengründers Joh. Heinrich Seipel, 1821 in der Langen Gasse eine Tabakfabrik betrieben haben die später ebenfalls an Kispert überging. Sein Vater, Joh. Leonhard von Nachtrab wird ebenfalls als "Tabakfabrikant" geführt, dabei dürfte es sich aber eher um die Geschäftsführung der Seipel'schen Fabrik gehandelt haben.
Anfang des 20.Jahrhunderts ging dann die Tabakverarbeitung im Ulmer Raum endgültig ihrem Ende zu.
Die letzte der vier großen Fabriken, die der Gebr. Bürglen, geriet während der Weltwirtschaftskrise zum Ende der 1920er in Schwierigkeiten und häufte Steuerschulden an. Nach Meinung der Geschäftsführung brachten neben der Notwendigkeit, Rohtabak in Devisen vorfinanzieren zu müssen, die "Tabaksteuergesetzgebung der System-Regierung" (gemeint war das Regierungssystem der Weimarer Republik) und der durch Auslandskapital verzerrte Wettbewerb mit Großkonzernen die Geschäfte zum Erliegen. Von den Schulden befreien konnte man sich nur noch durch den Verkauf der Fabrikgebäude. Die 1942/43 an die Stadt gegangenen Immobilien fielen dann weitgehend der Bombennacht vom 17. Dezember 1944 zum Opfer.3
In der Zeit des Niedergangs von Bürglen versuchten noch kleinere Zigarettenfabriken in Ulm ihr Glück. Sie scheiterten aber ebenso.
Hier sticht das Schicksal der jüdischen Familie Wagowski (→"Lyra") hervor, die jedoch an anderer Stelle erzählt werden sollte.
Das regionale Zentrum der Tabakindustrie verlagerte sich nach dem 1.WK in den Raum Heidenheim. Billige Arbeitskräfte im Brenztal begünstigten ab Mitte des 19.Jh. die Ansiedlung von tabakverarbeitenden Betrieben. Wie in Ulm wurde der Tabak dort jedoch nicht angebaut sondern aus Baden und Übersee importiert.
Die Brüder Karl und Louis
, die in Ulm einen Käsegroßhandel betrieben, versuchten nach 1894 ebenfalls mit einer Cigarren-Fabrik in Heidenheim Fuß zu fassen. Das Projekt scheint aber noch vor der Jahrhundertwende gescheitert zu sein.

Warenzeichenanmeldung L.G.Manne 1894
Besser erging es den
-»Gebr. Schäfer, deren 1847 in Schnaitheim gegründete Zigarren- und Stumpenfabrik bis 1973 überlebte und die Filialen in Mannheim, Langenau und anderen Orten auf der Alb vorweisen konnte.
Briefkopf
Gebr. Schäfer 1913
