Geschichte des Alten Friedhofs
Wahrscheinlich schon im 7.Jh wurde im Bereich des heute als Stadtpark genutzten Geländes am Fuß des Michelsberg vor der Stadtmauer der Pfarrkirchhof "Unserer Lieben Frauen ennot felds" des Klosters Reichenau errichtet.
Die Pfarrkirche wird 1376/77 mit dem Bau des Ulmer Münsters in die Stadt verlegt, deren Friedhof bleibt jedoch ausserhalb der Stadt.
Ihre letzte Ruhe finden die Ulmer Bürger bis 1526 auf den Friedhöfen der Kirchen und der Klöster in der Stadt. Arme und Sieche werden beim Spital beerdigt. In jenem Jahr verfügt aber der Rat, dass Bestattungen zukünftig nur noch "auf Allerheiligen" stattfinden dürfen. Der heutige Alte Friedhof wird damit zur zentralen Begräbisstätte der Stadt.
Ca. 1530 wird der bis dahin katholische Friedhof evangelisch, Katholiken müssen sich im Wengenkloster oder Deutschhaus begraben lassen. Erst ab 1803 gibt es auf Anweisung des bayerischen Generalkonsulats (Ulm gehörte von 1802 bis 1810 zum Kurfürstentum Bayern) hier wieder eine katholische Abteilung.
Bis in das Jahr 1812 bleibt der Friedhof getrennt in einen bürgerlichen und einen nichtbürgerlichen Teil. Die Erlaubnis, im bürgerlichen Teil bestattet werden zu dürfen, setzt nicht nur die Ulmer Bürgerrechte und einen "ehrlichen" Tod voraus, sie ist auch abhängig von der Entscheidung eines Friedhof-Ausschusses. "Unehrliche" Leichen, also z.B. Selbstmörder und zum Tode verurteilte Straftäter wurden in einem gesonderten Bereich des nördlichen, dem nichtbürgerlichen Teil des Friedhofs beerdigt, in dem auch das einfache Volk seine Ruhe fand. Diese Teilung ist heute noch im Alten Friedhof daran zu erkennen, dass sich fast alle erhaltenen Grabmale im südlichen Teil befinden.
Der Friedhof bekommt von 1812 bis 1817 die heute noch bestehende Ummauerung und wird nach dem Besitzübergang an die Stadt 1834 mehrfach umgebaut. Dabei werden auch viele ältere Gräber eingeebnet.
1853 erfolgt die Einrichtung des Jüdischen Friedhofs und 1898/99 die Schließung der Anlage. Bestattungen finden ab da im neuen und heute noch genutzten Hauptfriedhof an der Stuttgarter Straße statt.
1925 und 1932 werden nochmals über 600 Gräber aufgelöst und die Grabsteine an die Bevölkerung verkauft.
Nach der Umwidmung in eine öffentliche Anlage im Jahr 1934 folgt die Auflösung weiterer 1000 Gräber und die Umgestaltung in einen Park mit nur noch wenigen Grabmalen einst bekannter und wohlhabender Ulmer Bürger.1
Die Industrialisierung setzte auch in Ulm zur Mitte des 19.Jahrhunderts ein. Die ersten Unternehmer-Pioniere waren also bei Schließung des Friedhofs zur Jahrhundertwende bereits verstorben. Sofern es ihnen gelungen war mit ihrem Betrieb ein gewisses wirtschaftliches Ansehen zu erlagen oder wenn sie aus einer schon zuvor angesehenen Ulmer Familie stammten, fanden sie ihr Grab im im südlichen, den bürgerlichen Teil des Friedhofs, in dem die alten Grabstätten wohl hauptsächlich durch das Engagement der Familien oder der von ihnen gegründeten Unternehmen die Einebnungswellen überstanden haben.
Auf die Zerstörungen durch den 2. Weltkrieg folgte eine Zeit der Verwahrlosung. Nach der Jahrtausendwende wurde dann die Geschichte des Alten Friedhofs aufgearbeitet und die Anlage als Bau- und Kunstdenkmal anerkannt. Ein bei der Sanierung 2015 errichteter und inzwischen aber wieder in vielen Teilen zerfallener Geschichtspfad zeigt in 40 Kurzportraits einen Ausschnitt des aktuell noch vorhandenen Bestands an Grabmalen. Einige wurden von ihrem ursprünglichen Standort versetzt, teils, um Familiengräber zusammen zu führen, hauptsächlich jedoch aus gartengestalterischen Gründen.
Neben den großen Namen der Ulmer Industriegeschichte wie Magirus, Wieland, Schwenk und Leube sind die Gräber auffällig vieler Brauereibesitzer und Wirte erhalten geblieben. Der Grund dafür liegt in der großen wirtschaftlichen Bedeutung dieser Betriebe zu jener Zeit. Die vielen Arbeiter, die für den Bau der Bundesfestung notwendig waren, und die anschließende Belegung mit rund 9000 Soldaten sorgen ab 1842 für eine Blüte des Wirtsgewerbes. Von den 40 Brauereien, die 1850 um die Zecher konkurierten, haben sich in den Folgejahren einige zusammen geschlossen um so die Anschaffung der neu entwickelten Kühl- und Dampfmaschinen finanzieren zu können. Die Inhaber dieser großen Brauereien gehörten dann auch zu den höchstbesteuerten Bürgern der Stadt.
(siehe
→ Ulmer Brauereien)
Aber auch einige andere, zu ihrer Zeit bedeutende Persönlichkeiten, liegen hier begraben. Deren Branchen haben heute für die Stadt kaum bzw. keine Bedeutung mehr, sie gehörten aber zu den Keimzellen der Ulmer Industrialisierung. Beispielhaft seien hier nur Thomas Berger, Inhaber einer großen Möbelfabrik, die Familien Th. Kölle und Carl Rueff, Betreiber einer Zunderfabrik, und Anton Bach, Ziegeleibesitzer, genannt.
Stadtgeschichtlich Interessierten sind dagegen z.B. noch die Namen von Albrecht Friedrich Wechsler und den Brüdern Bürglen, beides Inhaber bedeutender Tabak-Manufakturen, geläufig.
Es sollen hier aber auch jene nicht unerwähnt bleiben, die sich wie Christoph Leonhard Wolbach, Carl Heim oder Conrad Dietrich Hassler politisch um die industrielle Entwicklung Ulms verdient gemacht haben.
Diese Seite gibt einen Überblick über die 44 heute (2022) noch auffindbaren Grabstätten industriegeschichtlich bedeutsamer Ulmer Bürger und ihrer Angehörigen.
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