<<Ulms Industriegebiete

Ulms Industriegebiete und Industriegleisanlagen

Der Anfang vor dem Gögglinger Tor
(1836 - 1880)


Auch die Flächen ausserhalb der mittelalterlichen Stadtmauern wurde schon von alters her gewerblich genutzt; die Blau und die Stadtgräben lieferten die Energie für Sägewerke, Pumpwerke und Mühlen.

Nach dem Krieg gegen Napoleon verlor die Stadt nicht nur ihre Reichsfreiheit, sie wurde auch zum Abriß ihrer bewährten Stadtbefestigung gezwungen. Damit eröffnete sich aber auch die Möglichkeit, sich über die bisherigen Grenzen hinaus auszudehnen und der die weitere Entwicklung bremsenden Enge der Ulmer Straßen zu entkommen.
Stadtplan 1891

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Promenade
Das erste wirkliche Industriegebiet nach o.g. Definition entstand auf der sog. Promenade im Bereich des heutigen Zentralen Busbahnhof (ZOB-Ost).


vor dem Gögglinger Tor, ca. 1820
In den Gräben vor der alten Stadtmauer legte man nach der Entfestigung Grünanlagen an, die der Ulmer Bürgerschaft zur Erholung dienten. Biergärten und Ausflugslokale wie das "Blumenschein" beim heutigen Dichterviertel, der Mohrenkönig (später Mohrenköpfle) und die Wilhelmshöhe luden zum Zeitvertreib ein. Die alten Stadttore verband nun ein beidseitig mit Bäumen bepflanzter Spazierweg, die sog. Promenade.
Wer es sich leisten konnte besaß hier einen Garten.
Im südwestlichen Bereich zwischen der Donau (der Ziegellände) und der Straße nach Ehingen und Biberach dominierten jedoch weiterhin die Holzlager der Illerflößer. Hier wurde das Holz aus dem Allgäu angelandet und entweder per Fuhrwerk weiter nach Norden transportiert oder an die Schopperplätze flußabwärts gegeben um dort Zillen für den Verkehr die Donau hinab daraus zu bauen.
(s. → Die Stadt Ulm und die Illerflößerei)

Von der anfangs um die ganze Stadt herum führenden Promenade wurde 1864 der an der nördlichen Stadtmauer entlang führende Teil als Olgastraße abgetrennt. Als Zeichen ihrer Großmannssucht vereinten die Nazis beide Teile 1937 aber wieder zum Adolf-Hittler-Ring. Nach dem Krieg bekommt die Olgastraße ihren Namen wieder zurück. Der zu einer Hauptverkehrsader ausgebaute Abschnitt zwischen Olgastraße und Ehingerstraße erhält den Namen Friedrich-Ebert-Straße und nach 1950 gibt es auch wieder die Promenade. Allerdings nur noch von der Zinglerstraße bis zur Wilhelmshöhe.


Die Ulmer Runkelrüben-Zuckerfabrik

Speisen mussten bis Anfang des 19.Jahrhunderts noch mit Honig oder dem teuren und in großen Mengen aus Westindien importiert Rohrzucker gesüßt werden. Das Land- und forstwirtschaftliche Institut in Hohenheim, eine Bildungseinrichtung des Königreichs Württemberg, beschäftigt sich deshalb mit der Gewinnung von Zucker aus Runkelrüben und löst zusammen mit erfolgreichen Forschungen, die Wissenschaftler in anderen Teilen des Reichs anstellten, eine Zuckerrüben-Euphorie aus, die zur Gründung mehrerer Zuckerfabriken führte.

Eine solche sollte auch in Ulm entstehen.
Hierfür gründeten mehrere wohlhabende Bürger 1836 die
→ Ulmer Runkelrüben-Zuckergesellschaft
. Sie sammelten 40.000 Gulden Aktienkapital und errichteten auf dem Grundstück eines Teilhabers, dem Schwenk'schen Garten vor dem Gögglinger Tor, eine Zuckerrübenfabrik, die nach einem französischen Verfahren arbeiten sollte.

Was im Labor gut funktionierte hatte in der großtechnischen Umsetzung jedoch noch seine Probleme. Die Verfahren waren nicht wirtschaftlich, der aus Rüben hergestellte Zucker war nicht günstiger als der importierte Rohrzucker.
Die Bauern der Gegend mussten erst Erfahrung beim Anbau der Rüben sammeln, der Zuckergehalt entsprach daher noch nicht den berechneten Prognosen. Das Lagern der empfindlichen Ware stelle noch Probleme dar und der Transport in die Stadt war teurer als erwartet.

Das Fabrikgebäude hatte man in Erwartung guter Geschäfte großzügig dimensioniert und da die Zuckerrübenverarbeitung stark saisonabhängig ist war auch für große Lagerflächen gesorgt worden.
Man versuchte noch, den Betrieb durch die Raffierung ausländischen Zuckers zu retten und nahm auch Mieter wie z.B. einen Schuhwichse-Fabrikanten auf. Die Ulmer Zuckerfabrik ging dann aber doch schon drei Jahre nach ihrer Gründung in Konkurs.1

Das gescheiterte Projekt bot aber eine ideale Infrastruktur für neue unternehmerische Ideen.


Die Malzfabrik Murschel, Stängle & Comp. - Promenade 8

Der Konditormeister
→ Gottlieb Murschel
kauft die Gebäude der Zuckerfabrik und richtet darin eine →Malzfabrik ein. Er kennt die Probleme der Bäcker bei der Beschaffung von gutem und günstigen Malz. Auch die über 40 Brauereien in Ulm gehen zunehmend dazu über, ihr Braumalz nicht mehr selbst herzustellen sondern dafür spezialisierte Unternehmen zu beauftragen. Die Herstellung von Malz beruht auf altbewährten Verfahren und die Absatzmärkte sind eingespielt, die Malzfabrik
→ Murschel, Stängle & Comp.
wird also ein voller Erfolg.2
Im Erdgeschoß der Malzfabrik wird kurz danach die Wirtschaft zum schwarzen Lamm eröffnet.

Nach dem Tod Murschels wechseln die Besitzer mehrfach. Unter
→ Johannes Hailbronner und Albert Wanner
existierte die Fabrik an dieser Stelle bis 1910. Inhaber des Gebäudes Promenade 8 sind jedoch seit 1890 die Brüder Mayer (s.u.), die im Nebengebäude eine gutgehende Maschinenfabrik betreiben.

Nach dem 1.Weltkrieg vermietet Edmund Mayer (sein Bruder Friedrich Wilhelm ist inzwischen verstorben) die unteren beiden Etagen der Malzfabrik an Georg Utz aus Wien. Utz richtet hier seine chemische Fabrik ein, die zur Ulmer Keimzelle des späteren Komplettanbieter für Bodensysteme
→ UZIN Utz
wird. Aber er scheint mit den Räumen nicht zufrieden gewesen zu sein. Wenig später verlegt er seinen Betrieb in die Fischergasse 6 und bezieht eine Wohnung in der Promenade 13.

Mayer nutzt das Gebäude nun für seine Kupfer- und Kesselschmiede und wohnt selbst im 1.Stock.
Im Zuge einer Neunummerierung im Jahre 1929 wird die Promenade 8 zur Hausnummer 16, die sie als Adolf-Hittler-Straße noch behält. Mit der Ausweisung als Adolf-Hittler-Ring bekommt das Gebäude der früheren Malzfabrik nun die Hausnummer 33, die Maschinenfabrik die Nummer 37.


Brauerei-Maschinenfabrik Ed. Mayer & Cie. - Promenade 10

Um 1850 wird das Anwesen der ehemaligen Zuckerfabrik geteilt. Neben der weiter bestehenden Malzfabrik (s.o.) übernimmt der Kupferschmied Bartholomäus Maier eines der Gebäude. Er stribt zwar kurz danach, seine Witwe, Anna Barbara Maier, bleibt dort aber mit ihren beiden Söhnen wohnen. 1870 richten Edmund und Friedr. Wilhelm Maier, beides gelernte Schlosser und Kupferschmiede, darin eine Malzdörrefabrik ein.

Malz zu dörren scheint für die beiden Brüder, die den Umgang mit Metall gewohnt waren, lange ein auskömmliches Metrier gewesen zu sein. Ganz von der Kesselmacherei abgelassen haben sie wohl nicht, denn schon 1878, als im städischen Adressbuch unter der Anschrift Promenade 10 noch die Malzdörre geführt wird, taucht in den Stadtakten ein Gesuch um nachträgliche Konzession des seit 1866 betriebenen Schwanzhammers der Maschinenfabrik Firma
→ Ed. Mayer & Co.
in der Promenade Nr. 10 auf. Dieser soll seit 1869 mit Dampf betrieben worden sein.
Der ältere Bruder, beide werden im Adressbuch erst seit 1886 unter der Schreibweise Mayer geführt, gab der Firma den später nicht nur innerhalb der Branche recht bekannten Namen.


Die Goldleistenfabrik Waidelich - Promenade 20

Mit der Bundesfestung als Aussengrenze erweiterte sich das Stadtgebiet erheblich. Die Flächen vor den alten Stadtmauern konnten nun bebaut werden, es entstand die Neustadt.
1850 kam dann die Eisenbahn nach Ulm und es wurde heftig darüber gestritten, wo der Bahnhof zu errichten wäre. Der Baudirektor der Bundesfestung, Oberst Moritz Karl Ernst von Prittwitz, plädierte für eine Ost-West-Ausrichtung und den Bau des Bahnhofs unterhalb des Michelsbergs. Es dürfte auch ein Ergebnis der Überzeugungsarbeit ehemaliger Zuckerrüben-Aktionäre gewesen sein, dass der Bahnhof dann doch in Nord-Süd Richtung gebaut wurde und der lukrative Verkauf der Grundstücke rund um die Zuckerrübenfabrik an die Eisenbahnverwaltung somit die Verluste etwas dämpfte.

Mitte der 1850er Jahre kauft
→ Konrad Waidelich
ein Grundstück südlich der Fabrik zwischen dem Kobelgraben und der Donaubastion und errichtet dort eine Goldleisten-Fabrik. Als holzverarbeitender Betrieb kam ihm sicher die Nähe zu den Holzlagern an der Ziegellände gelegen.
Im Unterschied zu den traditionellen Sägemühlen und den meist noch nach zünftigen Regeln arbeitenden Schreinern führt er sein Unternehmen schon als moderne Fabrik mit eigener Fabrikordnung7. Er muss daher als Pionier für die später bedeutende →Ulmer Möbelindustrie angesehen werden (Berger, Mayer, Wielath u.a.).

Waidelich vererb das Fabrikgebäude an der Promenade an die katholische Kirche, die dort noch vor der Jahrhundertwende das Wohnheim der barmherzigen Schwestern für Krankenpflegerinnen einrichtet.

um 1920; links: Das Schwesternwohnheim,
ehem. Goldeistenfabrik Waidelich

Nach dem Bau der Mohrenkopfbrücke (später Zinglerbrücke) wechselt die Anschrift dieses Grundstücks in Zinglerstraße 5. Nach dem 2.WK richtet hier die kath. Wengenkirche übergangsweise ihren Gemeindesaal ein. Die Ordensschwestern bleiben bis zu einer Neubebauung hier wohnen.


Die Feuerwehrrequisitenfabrik C.D.Magirus - Promenade 24

Die Freiflächen entlang der alten Stadtmauer entwickelten sich Mitte des 19.Jh. zu einem beliebten Naherholungsgebiet. Neben mehreren neu eröffneten Wirtschaften, die nicht nur dem einfachen Volk Ablenkung vom Alltagsgeschäft bieten sollen, leisteten sich auch eine Reihe wohlhabender Bürger wie Gustav Leube, Joh. Georg Wieland und Adolf Wechsler einen privaten Garten an der Promenade. Hier konnte man nicht nur in einem repräsentatives Gartenhaus den Ulmer Sommer genießen, es entstanden um die Wirtschaft zur Wilhelmshöhe herum, die dem Inhaber der Wirtschaft zur Krone, Louis Kölle, gehörte und der dort selbst residierte, stattliche, ganzjährig bewohnte Villen.

In dieser noblen Nachbarschaft errichtet 1874 auch der Kaufmann
→ Conrad Dietrich Magirus
sein Wohnhaus. Der Handel mit Feuerwehr-Spritzen und anderen Requisiten, die er seit 1864 bei den
→ Gebr. Eberhardt
herstellen ließ, lief gut. Die Eberhardts waren inzwischen aus ihrer kleinen Werkstatt in der Deinselsgasse in zwei größere Gebäude in der Promenade zwischen dem Frauen- und dem Neutor gezogen, produzierten aber weiterhin nach handwerklichen Grundsätzen.

Magirus war unzufrieden mit der Zusammenarbeit mit den Gebr. Eberhardt, trat deshalb aus deren Firma aus und erweiterte sein Wohnhaus Stück um Stück zu einer eigenen Werkstatt. Nach 1880 sollten weitere Fabrikgebäude auf seinem Grundstück gebaut werden, die Stadt verweigerte jedoch eine Genehmigung da nach den Ortsbaustatuten die Promenade südlich der Biberach-Ehinger Straße ausschließlich für eine Wohnbebauung vorgesehen war.
Magirus musste sich einen alternativen Platz für die Erweiterung seiner Feuerwehrleiter-Produktion suchen und fand diesen 1884 in den Holzlagerplätzen gegenüber der Oberen Donaubastion.
Es verwundert nicht, dass sich auch dort Magirus Beschwerden der Herren Laumayer, Wechsler, Mayser und anderer ausgesetzt sah, die sich über die Minderung des Wertes ihrer Wohnungen beklagten. Das neue Werk I von Magirus lag genau unterhalb und in Windrichtung von deren Villen auf der Promenade3,8

Dennoch, mit dem Sprung über die Bahngleise setzte Magirus einen ersten großen Baustein für eine industrielle Nutzung der Neustadt. Es entstanden die Gewerbegebiete an der → Schillerstraße und im heutigen Dichterviertel.

Ehingerstraße
Stadtplan ca. 1876    (anklicken zum Vergrößern)
Vom Gögglinger Tor (auch Glöcklertor genannt) führt eine alte Handelsstraße nach Biberach und Ehingen.
Im sog. Literalsystem der Hausbezeichnungen wurde nach dem Bau der Bundesfestung und der Eisenbahn dem Straßenabschnitt zwischen dem Gögglinger Tor und den Bahngleisen zusammen mit der Promenade der Buchstaben K zugeordnet. Das Stück hinter den Gleisen bis zum Ehinger Tor erhielt den Buchstaben M. Aber schon wenig später wurde dieses System aufgegeben, die Verbindung vom inzwischen abgerissenen Glöcklertor zum Ehinger Tor hieß ab 1869 durchgehend Ehingerstraße.

Vor dem Bau der Zinglerstraße und der Mohrenkopfbrücke kreutzte die Ehingerstraße die Bahngleise auf Schienenhöhe. Die erforderlichen langen Sperrungen störten den Verkehr nach Westen jedoch erheblich. Nach der Schließung des Bahnübergangs im Jahr 1904 war die Ehingerstraße dann an dieser Stelle unterbrochen, eine Verbindung konnte erst im Jahr 1913 durch den Bau einer Fußgängerunterführung wieder hergestellt werden.
1969 entstand dann die heute noch genutzte Unterführung für den Straßen- und Straßenbahnverkehr.


Albert Daiber - Ehingerstr. 2-11

Das Gelände nördlich und südlich der Ehingerstraße wurde traditionell als Holzlagerplatz genutzt. Einer der ersten Gewerbetreibenden, der sich um 1850 neu an dieser Straße ansiedelte, war der Kaufmann
→ Albert Daiber
mit seiner Eisenwarengroßhandlung.
Sein Haus beim Gögglingerthor erhielt zuerst die Nummer Lit. K 1, dann die Anschrift Ehingerstraße 2. Im Laufe der Jahre kaufte er die Anwesen Ehingerstr. 4 (1891) und Ehingerstr. 11 (1898) dazu und richtete dort ein Blech- u. Ofen-Magazin ein.
Ende der 1930er Jahre zog der Firmensitz in die Zinglerstraße 26 um. Dort besaß die Familie Daiber seit dem Neubau der Zinglerstraße ein Kontor mit Wohnhausanbau. Das nördlich angrenzende Areal an der Ehinger Straße blieb weiter im Firmenbesitz.
Über den Teilhaber Rudolf Beck konnte man sogar eine Zweigniederlassung in München vorweisen.

Daiber selbst war kein Hersteller von Gußwaren sondern er ließ diese lediglich mit seinem Namen versehen. Man findet aus diesem Grund im Stadtgebeit auch heute noch eine Vielzahl an Kanaldeckeln und anderen Gußteilen, die erkennbar über den Großhandel Alb. Daiber & Cie. geliefert wurden.
Diese Methode den eigentlichen Hersteller einer Ware hinter einer bekannten Marke zu verbergen, kam damals sehr in Mode. Heute würde man von OEM-Produkten sprechen. Im Falle von Daiber wird es wohl darum gegangen sein, aus Imagegründen für die Ulmer Kanalisation auch ein "Ulmer" Produkt zu verwenden. In anderen Städten ließ man ein Stadtwappen oder Motive aus der Stadtgeschichte gießen.
→ Fotosammlung
Mit Füßen getreten - Ulmer Gully- und Canal-Deckel

Für kurze Zeit hatte in der Ehingerstr. 4 auch die Schirmfabrik
→Friedmann & Molfenter
ihre Werkstätten.


Ehingerstr. 15

Der aus Reutlingen stammende Gerbermeister
→ Joh. Jakob Stanger
muss ein umtriebiger Mann gewesen sein. 1889 zieht er nach Ulm und gründet eine Schäftefabrik im Neuen Bau. Fünf Jahre später firmiert er als "Erste amerikanische Feinlederwerke" mit einer Fabrik in der unteren Bleiche.
Dort eröffnet er 1896 ein elektrisches Lohtanninbad. Im gleichen Jahr reicht er seine Patentschrift für das Stanger'sche Verfahren zur Nutzbarmachung des Gerbstoffs Tannin als Bademittel ein. In dem nach ihm benannten Stanger-Bad sitzt der Patient in einer mit Gerbflüssigkeit gefüllten Badewanne und wird von konstantem Gleichstrom durchflutet.

Mit diesen Unternehmen scheint er so viel Geld verdient zu haben, dass er von der Witwe des Holzhändlers Anton Rueß ein Grundstück in der Ehingerstraße kaufen und dort ein neues, modernes Bad einrichten konnte. Warum die Akte für die laut den städtischen Unterlagen ab 1897 von Stanger dafür angeschaffte Dampfmaschine auf seine Frau Berta ausgestellt ist, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden.
Sein Sohn
→ Heinrich Stanger
perfektionierte das Verfahren und richtete im Hinterhaus der Ehingerstr. 15 eine Fabrik für elektromedizinische Apparate ein, die 1929 in eine Spezialfabrik für elektrothermischer u. elektromedizinischer Apparate erweitert wurde. 1931 zog der Betrieb in die Kleiststraße um.4,5


Ehingerstr. 19

Ende des 19.Jahrhunderts waren die Wasserkräfte der Blau nahezu vollständig durch Mühlen ausgenutzt. Bei manchen, wie der Isaken-, der Veltens- und der Söflinger Klostermühle, trieben ein oder zwei Wasserräder zusätzlich auch ein Sägewerk an.
Der Bedarf an verarbeiteten Holz war jedoch weithin hoch. Eine Lösung waren Dampfmaschinen, die inzwischen so wirtschaftlich geworden sind, dass damit auch abseits der Flüsse Säge- und Hobelwerke betrieben werden konnten.

Der Holzhändler Anton Ruess besaß nördlich der Ziegellände große Holzlagerflächen. Sein Sohn
→ Konrad Ruess
errichtete 1886 auf einem Grundstück mit der Adresse Ehingerstraße 19a eines der ersten Dampf-Hobel- und Sägewerke in Ulm.
Nachdem seine Söhne den Betrieb in die verlängerte Frauenstraße verlegt hatten pachtete der Schreiner
→ Friedrich Poulanger
das Sägewerk in der Ehingerstraße, zog dann aber nach kurzer Zeit ebenfalls in die verlängerte Frauenstraße.

Fritz Maier, Sohn des Schreinermeisters
→ Carl Maier
betreibt bis 1929 die inzwischen ihm gehörende Dampfsäge selbst, zieht sich dann zurück und nimmt
→ Wilhelm Wurst
als Mieter auf, der in einem Teil des Gebäudes eine Sitzmöbelfabrik einrichtet.
1931 kauft die Milchversorgung das Grundstück und richtet dort ihre Verwaltung ein.

Hauffstraße
Die heute südlich des Landratsamts gelegene Hauffstraße verlief ursprünglich stadtseitig unmittelbar entlang der Bahngleise. Sie begann an der Ehingerstraße bei der Wirtschaft z. Eisenbahn und endet am Bahnhofplatz.

Hier residierte zu Länderbahn-Zeiten in der Nr. 1 die Königlich Bayerische Eisenbahnverwaltung. Später wurde das Haus als Übernachtungsgebäude für das Fahrpersonal genutzt.

Auch der Zementfabrikant und Besitzer des Hotels Europäischer Hof, → Anton Kneer, hatte hier in der Nr. 2 seinen Wohnsitz. Der Europäische Hof lag in unmittelbarer Nachbarschaft in der Promenade 4. Kneer besaß Zementwerke in Allmendingen und Schelklingen.

1910 zog in das Haus Hauffstr. 8 die Ulmer Zweigstelle des Württemb. Dampfkessel-Revisionsvereins ein und blieb dort bis zum 1.WK.

Der heutige Verkehrsknotenpunkt
Der 2.Weltkriegs hat an dieser Stelle tiefe Wunden gerissen. Das Bahngelände in unmittelbarer Nähe war ein bevorzugtes Ziel der Angriffe. Im Umfeld der ehemaligen Zuckerrübenfabrik haben nur die 1928 gebaute Oberamtssparkasse (Promenade 21), das gleich alte Haus der Allgemeinen Ortskrankenkasse (Ehingerstr. 4) und zwei Gebäude der Firma Ed. Mayer & Co. (zuletzt Friedrich-Ebert-Str. 7) den Bombenhagel überstanden.

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre wird das Areal des ersten Ulmer Industriegebiets grundlegend umgestaltet. Innenstadt und Ehinger Tor werden durch eine breite Unterführung für den Straßen-, Straßenbahn- und Fußgängerverkehr miteinander verbunden. Die 1904 als Stahl-Fachwerk gebaute Zinglerbrücke wird durch eine Stahlbeton-Konstruktion ersetzt.
Die Häuser von Mayer müssen für einen neuen Busbahnhof weichen. Die AOK und die darin untergebrachte Zahnklink erhält eine Galgenfrist, lediglich das Haus der Kreissparkasse, in das später das Landratsamt zieht, überlebt bis es am Ende des 20.Jahrhunderts durch einen Kinoneubau ersetzt wird.

Zwei filmische Dokumentationen über die Bauarbeiten sind erhalten geblieben und können auf youtube angesehen werden.
→ Eugen Syrlin - Ehingertor Unterfuehrung 1965, KF *
→ Eugen Syrlin - Bau der Ulmer Zinglerbrücke, 1969 *

Blick auf das Gelände der ehem. Runkelrüben-Zuckerfabrik

ca. 1975  /  links: Ed. Mayer & Co.  rechts: AOK und Landratsamt
2016  /  provisorischer ZOB während des Baus der Tiefgarage am Bahnhof

ca. 1891

2024

Gütertransport im ausgehenden 19.Jahrhundert


Die Anlagen für den Tranport von Gütern waren in der Zeit der Erschließung der Promenade noch bescheiden, obwohl die erbrachten Transportleistungen beachtlich waren.
Eine erste Güterhalle stand nördlich des Bahnhofs gegenüber der Post. Eines der wichtigsten Umschlaggüter war Holz aus dem Allgäu. Dafür war ein großer Lager- und Verladeplatz westlich des Bahnhofs eingerichtet worden.
Da Ulm auch Grenzbahnhof zu Bayern war und Züge der kgl.bay.Staatseisenbahn bis Ulm verkehrten gab es auch eine kleine Güterabfertigung im sog. Bayerischen Bahnhof.

Die per Bahn zu verfrachtende Ware wurde noch mit Pferdefuhrwerk zum Bahnhof gebracht und musste mühsam von Hand verladen werden. Bald jedoch übernahmen darauf spezialisierte Fuhrunternehmer dieses Geschäft. Auch in Ulm entstanden eigene Bahn-Speditionen wie z.B. die heute noch bestehende Firma Noerpel.

← Ulms Industriegebiete und Industriegleisanlagen
Schillerstraße / Dichterviertel / Obere Bleiche (1880 - 1906) →


Quellen:
1: Rainer Loose - Kein Zuckerschlecken für Spekulanten, Die Württembergische Gesellschaft für Runkelrüben-Zuckerfabrikation (1836–1854), -» download Württembergische Landesbibliothek
2: Albert Haug, Die Ulmer industrielle Revolution - beim Bier, in: Ulm und Oberschwaben, Bd. 53/54, Stadtarchiv Ulm 2007
3: Martin Nestler - Der Feuerwehrpionier und Unternehmer Conrad Dietrich Magirus →Literaturliste Biografien
4: Albert Gieseler - Kraft- und Dampfmaschinen (Stand 09.Feb.2024)
5: StA Ulm B 121/15 Nr. 044
7: StA Ulm B 121/80 Nr. 014/109
8: StA Ulm B 121/71 Nr. 052 und andere

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