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Zementherstellung und Zementprodukte

Anfang der 1830er Jahre war der aus Ochsenwang nach Blaubeuren zugezogene Maurermeister Johann Daniel Weil (geb: 19.10.1791, †: 28.2.1862) einer der ersten, die sich im Ulmer Raum praktisch mit den bauphysikalischen Eigenschaften und der Herstellung von Zementmörtel beschäftigten. Sein in einem Gerhausener Steinbruch abgebauter und in einfachen Öfen gebrannter Kalkmergel wurde gemahlen und als hydraulischer Mörtel in der Umgegend verkauft. Die von ihm eher zufällig entdeckten Eigenschaften dieses Materials, es härtet unter Wasser besser aus als der bekannte hydraulische Kalk und ist daher besonders geeignet für den Bau von Zisternen und Mühlenstöcken, ließ er von Leube in Ulm und von der Gewerbeschule Stuttgart untersuchen.1

Der Apotheker
→Gustav Ernst Leube
hatte sich schon länger in seinem Labor wissenschaftlich mit den Gesteinen der Schwäbischen Alb beschäftigt und erkannte das Potential des Weil'schen Kalkmörtels aus dem Blautal. Zusammen mit seinen Brüdern Joh. Wilhelm und Julius Ernst gründet er 1838 selbst eine Zementfabrik mit Steinbruch in Gerhausen und beliefert später damit die Festungsbaudirektion in Ulm, die kgl. württ. Staatseisenbahn, die bayerische Ostbahn und die Rhein-Nahe-Bahn zwischen Bingen(Rhein) und Neunkirchen(Saar).
Leube tat sich anfangs schwer, seinen neuen Zement bei den Bauleuten bekannt zu machen. Die Qualität war noch zu schwankend und es fehlte vielfach das Wissen um den richtigen Umgang mit diesem Baustoff. Erst die Erfolge und guten Erfahrungen in anderen Teilen Deutschlands, in denen Zement aus England schon im Einsatz war, und die Unterstützung durch den Ulmer Baurat Bühler und den Stadtbaumeister Thrän sorgten für Akzeptanz auch im eigenen Land.5

In den Folgejahren entwickelte sich dann ein Wettlauf um die besten Abbaugebiete auf der Schwäbischen Alb. An den Grundstücksspekulationen beteiligten sich meist branchenfremde Unternehmer wie Julius Spohn (Leinenspinnerei, Ravensburg), Eduard Schwenk (Kupferhammer, Ulm) und Eduard Hallberger (Verleger und Inhaber des Stuttgarter Immobilien- u. Baugeschäfts). Die Zementindustrie im Südwesten wurde zu einer frühen, schwäbisch bescheidenen Vorform des amerikanischen Goldrauschs am Klondike und des Ölrauschs in Texas. Viele der kleinen und inzwischen vergessenen Betriebe, die zu der Zeit entstanden, würde man nach heutigem Massstab allerdings kaum als Zement-Fabrik oder -Unternehmen bezeichnen.

Struktur Roman-Zement
Gefügestruktur eines Romanzement-Dachsteins, charakteristisch ist die teilweise rötlichbraune Einfärbung der Oberfläche
Anfangs produzierte man ausschließlich Roman-Zement. Dieser hydraulische (d.h. auch im Wasser abbindende) Werkstoff, der aus natürlich vorkommenden Kalkmergel hergestellt wird, ist seit der Antike bekannt und wurde Mitte des 18.Jahrhunders in England weiterentwickelt.
Die hohen Gewinne aus der ersten Phase blieben aber bald aus. Zollbeschränkungen, ein hoher Investitionsbedarf um die Nachfrage befriedigen zu können und der in England neu entwickelte Portland-Zement machten besonders den kleineren Zement-Herstellern stark zu schaffen.
Mit ersten Verkaufskartellen und Fusionen versuchte man den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu begegnen.

Es zeigte sich bald, dass ein Umstieg auf Portland-Zement unungänglich sein wird. Dieser war aber nur möglich, wenn entsprechend geeignete natürlich Kalkmergelvorkommen vorhanden waren oder wenn es gelang künstlichen Portlandzement herzustellen. Dazu waren aber neben den in England patentgeschützten und daher noch weitgehend geheimen Kenntnissen der Produktionsverfahren immense Investitionen notwendig.

Wie Romanzement wurde auch künstlicher Portlandzement hauptsächlich in England entwickelt und trat von dort seinen Siegeszug an. Er hat eine viel längere Verarbeitungszeit und eine höhere Endfestigkeit als Romanzement, er ist daher für den Hochbau besser geeignet. Die Herstellung erfordert jedoch eine etwas andere Zusammensetzung des Ausgangsmaterials, andere Produktionsschritte, eine viel höhere Brenntemperatur und damit vollständig neue Anlagen in der Zementfabrik. Das Material musste viel feiner gemahlen und die alten Schachtöfen mussten durch Ringöfen ersetzt werden. Dabei kamen auch die ersten dampfbetriebenen Bahnen für den Transport des Abbaumaterials vom Steinbruch ins Werk und die ersten Dampfmaschinen für den Antrieb der Zementmühlen zum Einsatz. Große Mengen Kohle für die Zementöfen konnten inzwischen über die neu entstandenen Bahnstrecken angeliefert werden.

Das erste Portlandzementwerk in Deutschland wurde 1855 von dem Chemiker Hermann Bleibtreu in Züllchow bei Stettin gegründet. Der erste großindustriell in der Region produzierte künstliche Portland-Zement kam aus der Stuttgarter Cementfabrik Blaubeuren, der 1875 auch ein königlich württembergisches Patent für das Herstellungsverfahren erteilt wurde.

Die Zementherstellung hat für die Stadt Ulm selbst keine große Bedeutung. Sie spielt nur in den Anfangsjahren im Produktionsschritt des Brechens und Mahlens eine Rolle.
Schwenk ließ bis 1892 in der
→ Söflinger Stampfe
den Kalkstein aus seinen Brüchen in Allmendingen und Blaubeuren verarbeiten. Leube nutzte die vor den Toren Ulms gelegene Ehrensteiner
→ Riedmühle
zur Zerkleinerung seines Rohmaterials aus Gerhausen.
Für kurze Zeit wurde auch die
→ Trassmühle
am Neu-Ulmer Donauufer und ein weiteres in der Donau verankertes Wasserrad zur Zementproduktion eingesetzt. Woher dieses
→ Zementwerk Müller
sein Material bezog ist nicht bekannt.8


Blaubeuren, Gerhausen



- E.Schwenk / Gebr. Spohn / Stuttgarter Cementfabrik Blaubeuren / Portland-Cement-Werk Heidelberg / HeidelbergCement -


In Blauberen-Weiler und beim Öfele in Gerhausen lagen die ersten Abbaugebiete für Kalkmergel zur Zementherstellung. Neben den Werken von
→ Weil & Sigloch
und den
→ Gebr. Leube
betrieb hier ab 1857 die Firma
→ E.Schwenk
eigene Steinbrüche. Durch den Kauf der Talmühle konnte Schwenk 1872 dort dann auch eine Zementmühle einrichten.

Auch das
→ Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft
besaß hier ab 1872 eine eigene Tochtergesellschaft, die Stuttgarter Cementfabrik Blaubeuren. Diese übernahm 1883 die Fabrik von Leube. Der Betrieb wurde jedoch nach Errichtung des neuen Werks in Schelklingen 1903 schon aufgegeben.

Die Steinbrüche in Gerhausen teilten sich Spohn, Leube, Schwenk und die Stuttgarter.2

1893 gründet die Firma
→ Gebr. Spohn
, die seit über 20 Jahren ebenfalls ein Zementwerk in Blaubeuren und Steinbrüche in Gerhausen, Schelklingen und Allmendingen betreibt, mit den Stuttgarter Cementfabriken eine gemeinsame Verkaufsstelle, einen Vorläufer der später durch 26 süddeutsche Zementwerke gebildeten Südd. Central-Verkaufsstelle Heidelberg. Spohn und die Stuttgarter waren in Blaubeuren und in Gerhausen unmittelbare Nachbarn. Zu diesem Verkaufskartell gehörte auch das Portland-Cement-Werk Heidelberg, Schifferdecker & Söhne, das 1938 die Aktienmehrheit an der Gebr. Spohn AG übernahm. 1966 wurde Spohn vollständig bei den Heidelbergern eingegliedert, der Betrieb in Blaubeuren / Gerhausen lief dann bis zum Abriß 1999 unter dem Namen HeidelbergCement.1

Ab 2005 war HeidelbergCement Teil der Merckle Unternehmensgruppe. Deren Gründer, Adolf Merckle, dem darüber hinaus weitere Unternehmen wie z.B. die Firma Kässbohrer Pistenbully gehörte, baute die ererbte pharmazeutische Fabrik in Blaubeuren-Weiler zu dem heute noch bekannten Generika-Hersteller Ratiopharm aus. Die Mutter Adolf Merckles war eine Enkelin des Textil- und Zementunternehmers Julius Spohn. Merckle wohnte in Blaubeuren-Weiler, in Blickweite zum Steinbruch der Zement-Pioniere Weil & Sigloch. Er setzte 2009 auf den Gleisen der nahen Donautalbahn seinem Leben ein Ende.

Sotzenhausen

Ähnlich wie Leube und Schwenk bezog auch Julius Spohn in den Anfangsjahren den Kalkstein für sein Zementwerk aus mehreren kleineren Steinbrüchen im Umland. Einer der Brüche lag bei dem östlich von Schelklingen gelegenen Weiler Sotzenhausen. Um sich den umständlichen Materialtransport nach Blaubeuren zu ersparen wurden vor Ort zwei Brennöfen errichtet. Noch unter dem Namen Spohn & Ruthardt konnte 1872 mit der Produktion von Romanzement begonnen werden, den gebrannten Kalkstein musste man jedoch zum Mahlen per Pferdefuhrwerk umständlich nach Blaubeuren transportieren.
Obwohl eine Gesteinsschicht im Sotzenhausener Bruch eine Zusammensetzung aufwies, die die Herstellung von natürlichem Portlandzement erlaubte, wurde der Betrieb noch vor der Jahrhundertwende eingestellt. Wenige Jahre später überstieg jedoch der Absatz des Spohn'schen Portlandzements die Kapazität des Steinbruchs in Gerhausen so daß der Abbau in Sotzenhausen wieder aufgenommen und durch Geländezukäufe ausgedehnt werden musste. Der Transport des Rohmaterials ins Werk Blaubeuren erfolgte nun per Drahtseilbahn.1


Allmendingen



- Gebr. Leube / Stuttgarter Cementfabrik Blaubeuren / Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft AG / E.Schwenk -


1842 fing Carl Stiehle aus Ehingen an in einer Mühle in Klein-Allmendingen (Bergstr. 39) hydraulischen Kalk herzustellen. Vier Jahre später folgte Anton Fischer mit einem Kalkofen und einer Mühle in Groß-Allmendingen. Beliefert wurde hauptsächlich die Festungsbaudirektion in Ulm.6
Das Unternehmen von Carl Stiehle konnte sich wegen der langen und teuren Transportwege nach Ulm (die Bahnstrecke war noch nicht gebaut) nicht durchsetzen. Er ging schon 1846 in Konkurs, schloß sich Schwenk an und zog nach Schelklingen. Die Mühle wurde dann von mehreren Besitzern wahrscheinlich bis 1884 zum Mahlen von Zementsteinen verwendet und 1909 zu einem Elektrizitätswerk umgebaut. Den Steinbruch übernahm Schwenk.7
Ähnlichen Schiffbruch erlitt Simon Schmutz aus Justingen, der 1845 die Allmendinger Ölmühle gekauft hat, am Galgenberg Kalkstein abbauen wollte, dann aber 10 Jahre später ebenfalls Konkurs anmelden musste.7
Anton Fischer, Sohn des örtlichen Revierförsters, begann 1841 mit der fabrikmäßigen Herstellung von Zündhölzern. Seine 1846 errichtete Zement-Stampfe in der Hauptstraße 106 ging 1874 an die Gebr. Lutz aus Augsburg und wurde von diesen zu einer Zündholzschachtelfabrik umgebaut. Es folgten mehrere Zwischennutzungen bis 1958 Hugo Burgmaier das Grundstück erwarb und dort ein Werk für Präzisionsdrehteilen für die Automobilindustrie errichtete.7 Nach einem Brand des Betriebs im Frühjahr 2023 ist die weitere Nutzung des ehemals Fischer'schen Anwesens offen.
Nach dem Bau der Eisenbahnstrecke boomte die Zementindustrie in Allmendingen. Anton Kneer aus Ulm errichtete 1872 am Heilenberg ein Werk, das noch mit Wasserkraft aus dem nahen Aschenbach betrieben wurde. Diese Fabrikanlage ging 1887 an Heinrich Wolf aus Stuttgart, 1897 an Schwenk und zuletzt an das Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft.

→ Gustav Leube
, der schon in Blaubeuren das Rohmaterial für Roman-Zement gefunden hatte, entdeckte 1844 östlich von Allmendingen Kalkmergelvorkommen deren Zusam­mensetzung von Natur aus etwa derjenigen des in England entwickelten künstlichen Portlandzements ent­sprachen. Er sicherte sich diese Lagerstätten, begann aber erst 1864 mit der Produktion von natürlichem Portlandzement, nachdem sich dieses Bindemittel langsam durchgesetzt hatte und die wesentlich höheren Herstellungskosten vom Markt getragen wurden.
Schon 1824 ließ sich der englische Maurer und Bauunternehmer Joseph Aspdin seine Erfindung des Portlandzementes patentieren, benannt nach den natürlichen Kalksteingebilden auf der südenglischen Halbinsel Portland. Isaac Charles Johnson, ebenfalls Engländer, verbesserte in den 1840er-Jahren Aspdins Rezept und Produktionsverfahren so, dass ein schnell abbindender Beton mit höherer Festigkeit und längerer Dauerhaftigkeit gegenüber dem bisher verwendeten Romanzement hergestellt werden konnte.
Begünstigt wurde Leubes Entscheidung für Allmendingen als Standort seines Werks durch die Fertigstellung der Donautalbahn von Ulm in den Schwarzwald im Jahr 1868. Damit konnten nun günstig die großen Mengen Kohle und Koks angeliefert werden, die zur Erzielung der hohen Temperaturen für die vollständige Sinterung des Ausgangsmaterials notwendigen sind4.

Die finanzielle Lage für Leube blieb aber angespannt, auch weil Portlandzement zunehmend einen schlechten Ruf bekam. Andere Hersteller hatten nämlich begonnen zur Kostenersparnis Zusatzstoffe beizumischen was zu einer schlechteren Qualität führte. Leube schloß sich dann aus wirtschaftlichen Gründen 1883 für sein Allmendinger Werk mit der Stuttgarter Cementfabrik Blaubeuren zusammen. Die Stuttgarter, eine Tochtergesellschaft der
→ Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft AG
, hatten sich schon seit 1878 durch Kauf und langfristige Pachtverträge eigene Grundstücke und Abbauflächen im Schmiechtal gesichert5.

Nach dem Tod des Firmengründers Gustav Leube 1891 fusionierte sein Sohn das Zementgeschäft mit der Stuttgarter Cementfabrik und schloß die inzwischen ausgebeuteten Steinbrücke in Gerhausen und Ehrenstein.

Postkarte von ca.1900, links Zementwerken E. Schwenk, rechts Stuttgarter Cementfabrik Allmendingen.

Eduard Schwenk hatte, nach der Zusammenarbeit mit Anton Fischer ab 1857 versucht, mit Kalkstein aus eigenen Allmendinger Steinbrüchen Zement zu brennen, musste sein Werk aber 1865 wegen Unrentabilität wieder schließen. Die Kosten für das notwendige Holz und den Torf als Brennmaterial und der Transport in die Stampfe nach Söflingen waren zu hoch. Seinem Sohn
→ Carl Schwenk
gelang jedoch 1889 die Wiederinbetriebnahme des Werks.3 Die neue Fabrik war mit einer 200 PS starken Dampfmaschine ausgerüstet, besaß schon eine elektrische Beleuchtung, die auch Teile von Allmendingen versorgte und bot den 110 Arbeitern neben einer Kranken- und Sparkasse auch eine Fabrikkantine.6

Während Schwenk bis heute in Allmendingen produziert mussten die Stuttgarter ihr Werk während des 1. Weltkriegs auf einen Notbetrieb herunter fahren. Nach dem Krieg hätten ein Großteil der inzwischen über 30 Jahre alten Anlagen erneuert werden müssen, man entschloß sich daher zur endgültigen Stilllegung. Das Firmengelände und ein Teil der Immobilien wurde an Schwenk verkauft2.


Schelklingen



- Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft AG / HeidelbergCement -


Der erfolgreiche Stuttgarter Verleger Georg Eduard von Hallberger war zur Mitte des 19.Jahrhunderts an zahlreichen Unternehmen beteiligt. Besonders hohe Gewinne erwartete er sich im Baugeschäft. Er kaufte im Raum Stuttgart im großen Stil Baugebiete auf und ließ sie von Handwerkern bebauen, denen er die Baustoffe, hauptsächlich Ziegel und Sandstein, aus seinen eigenen Ziegeleien und Steinbrüchen verkaufte.

Ein Streit zwischen Frankreich und Preußen um die spanische Thronkandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen führte zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, an dem sich neben dem Norddeutschen Bund auch die damals noch eigenständigen Staaten Bayern, Baden, Hessen-Darmstadt und Württemberg beteiligten. Im Friedensvertrag von Versailles verpflichtete sich das unterlegene Frankreich zur Zahlung von 5 Mrd. Goldfranken als Reparationsleistung. Der Geldsegen löste im neu gegründeten Deutschen Reich einen Bau-Boom aus, den einzelne Unternehmen alleine nicht mehr bewältigen konnten. Hallberger schloß sich daher für seine Bau-Aktivitäten mit anderen Geldgebern zusammen und gründete Ende 1871 die
→ Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft AG
.

Die Kapazitäten und die Rohstoffreservern seiner Ziegeleien konnten den Bedarf bald nicht mehr decken. Er fand eine Alternative im Zement und gründete 1872 in Blaubeuren eine eigene Zementfabrik, der 1883 ein weiteres Werk in Allmendingen und 1889 die Beteiligung an den Oberschwäbischen Cementwerken in Ehingen folgten.
Aber schon Mitte der 1890er Jahre wurde die Lage in Blaubeuren schwierig. Das Fabrikgelände konnte nicht erweitert werden und die eigenen Steinbrüche in Gerhausen würden bald erschöpft sein. Schon ein paar Jahren zuvor war man jedoch in den Besitz der Firma Leube in Allmendingen gekommen, die früher auch einmal in Schelklingen Steinbrüche und Zementöfen betrieben hatte. Nachdem es gelungen war dort weitere Grundstücke von württembergischen Staat zu erwerben konnte der Plan in Angriff genommen werden das Zementwerk Blaubeuren nach Schelklingen zu verlegen.
Nach 2 Jahren Bauzeit ging die Fabrik 1902 in Betrieb, ein Jahr später wurde Blaubeuren stillgelegt.
Am 24. August 1918 fusionierte das Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft mit den Portland-Cement-Werken Heidelberg-Mannheim, dem späteren Unternehmen Heidelberg Zement, heute Heidelberg Materials.2
Deren Zementwerk ist inzwischen eines der beiden letzten Betriebe dieser Art in der Region.

Die Stuttgarter waren aber nicht die ersten "Zementler" in Schelklingen. Der Besitzer der Ulmer Wirtschaft zum Europäischen Hof (Promenade 4), Anton Kneer, der schon seit 1872 ein Zementwerk in Allmendingen besaß, kaufte zusammen mit Alfred Emil Barbey aus Stuttgart 1889 südwestlich von Schelklingen einen Steinbruch, zog sich dann aber aus dem Unternehmen zurück.
Barbey konnte das Werk, das neben einer Zementmühle und einem Kesselhaus auch über eigene Zementöfen verfügte, 1890 noch in Betrieb nehmen, starb jedoch kurz darauf. Seine Witwe musste den stark verschuldeten Betrieb an den Mannheimer Egon Hammerstein verkaufen, der die Fabrik nach der Jahrhundertwende zwar noch einmal modernisierte, sie dann aber 1906 doch an das Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft abgeben musste. Diese riß das ehemalige Konkurrenz-Werk umgehend ab und errichtete darauf Arbeiterwohnungen.2


Ehingen



- Oberschwäbische Cementwerke AG / Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft AG -


Mit den Zementfabriken hatte zum Ende des 19.Jahrhunderts besonders in den Gemeinden Blaubeuren und Allmendingen die Industrialisierung Einzug gehalten. Insgesamt über 1000 Arbeiter verdienten bei Spohn, Schwenk, den Stuttgartern und anderen Zementfabriken ihren kargen Lohn. Der Betrieb lief rund um die Uhr, eine Schicht in großem Lärm und atemraubenden Staub dauerte meist 12 Stunden. Gearbeitet wurde an 6 Werktagen. Anspruch auf Urlaub oder Lohnfortzahlung bei Betriebsstillständen, Reparaturen und den häufig vorkommenden Unfällen gab es nicht. Beliebt war diese Arbeit nicht, dennoch sicherte sie einer ganzen Bevölkerungsschicht, die sich ansonsten als Tagelöhner durchschlagen oder gar auswandern musste, eine annähernd auskömmliche Existenz.

Lediglich Ehingen profitierte nicht vom Zement-Boom und litt weiter unter Armut. Davon besonders betroffen waren Arbeiter, die früher im Hopfenanbau beschäftigt waren. Die vielen Brauereien der Stadt bezogen inzwischen besseren und günstigeren Hopfen von auswärts. Daher drängten die Stadtoberen bei den Fabrikanten immer stärker darauf, auch in ihrer Gemeinde ein Zementwerk einzurichten, fanden aber nur bei den Stuttgartern Gehör. Diese gründeten zusammen mit anderen institutionellen Investoren die "Oberschwäbischen Cementwerke AG" und begannen 1890 auf einem 40 ha großem Gelände nördlich des heutigen Bahnhofs, das von der Stadt günstig zur Verfügung gestellt wurde, Mahlgänge und Ringöfen zu errichten. Das Rohmaterial wurde in einem 2,5 km entfernten Steinbruch beim Saurücken gewonnen und mit einer Drahtseilbahn zum Werk transportiert. Da in Ehingen keine freien Wasserkräften für die Zementmühlen zur Verfügung standen erhielt die Fabrik eine 700 PS starke Dampfmaschine. Die Arbeitsabläufe konnten nach den neuesten Erkenntnissen organisiert werden, es galt der Grundsatz, keine Menschenkraft sondern nur Maschinenkraft für Antriebe zu verwenden und bei Lasten nur Vorwärts und keine Rückwärtsbewegungen zuzulassen. Der Transport innerhalb des Werkes sollte fast ausschließlich über Hängebahnen erfolgen, Fuhrwerke waren ausgeschlossen. Selbstverständlich hatte man einen eigenen Bahnanschluß an die Donautalbahn.
Kurz vor der Jahrhundertwende galt die Fabrik mit einer Produktion von 700.000 Zentnern Portland- und 100.000 Zentnern Roman-Zement als größtes Zementwerk Württembergs5,6.

Der damalige hohe Zement-Bedarf konnte auch mit diesem Werk nicht vollständig gedeckt werden, so dass die hier hergestellten Produkte regen Absatz fanden und die Fabrik den Ehingern ein gutes Einkommen sicherte.
Nach der Jahrhundertwende ordnete das Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft seine Betriebs- und Vermögensverhältnisse neu. Am 31. Oktober 1906 beschloss die außerordentliche Generalversammlung die Verschmelzung mit den Oberschwäbischen Cementwerken.

Nach Ausbruch des 1. Weltkriegs, dem dadurch bedingten starken Rückgang aller privaten Bautätigkeiten und der Stilllegung fast aller Zementwerke musste auch die Fabrik in Ehingen ihren Betrieb einstellen. Einen Neuanfang nach dem Krieg verhinderte die Weltwirtschaftskrise zum Ende der 1920er Jahre. Die Betriebsanlagen wurden 1927 abgerissen2.


andere Standorte

Darüber hinaus entstanden besonders kurz vor der Jahrhundertwende auch in anderen Orten am Rande der Schwäbischen Alb Zementfabriken. In der Spitze waren es einstmals 31 Betriebe.2
Schon um 1870 gab es in Rottenacker eine Zementfabrik D.Preg5. 1897 ging der Besitz der 1874 gegründeten5 Zementfabrik Lude in Geislingen/Steige an
→ Karl Hägele
über, der den Betrieb jedoch schon 1910 stilllegen musste. Zwei Jahre später gründete er dann das heute noch bestehende Schotterwerk in Westerstetten.
1899 entstand in Münsingen die Südd. Portlandzementwerke Münsingen AG, die nach der vollständigen Aktienübernahme 1907 wie die Werke in Allmendingen und Blaubeuren zu einer Tochtergesellschaft des Stuttgarter Immobilien und Baugeschäfts wurden.
1901 baut Carl Schwenk in Mergelstetten bei Heidenheim ein Werk, in dem heute hauptsächlich Spezialbaustoffe aus Zement hergestellt werden.

Es enstanden jedoch nach dem Boom der 1890er Jahre schnell Überkapazitäten, die, neben anderen Gründen, zu einem ruinösen Preisverfall führten. Dem begegneten die Hersteller durch damals noch erlaubte Preisabsprachen, der Zuteilung von Produktions-Kontingenten und dem Kauf kleinerer Betriebe und anschließender Stilllegung. Opfer einer solchen Bereinigung waren u.a. das Zementwerk in Rechtenstein und das Werk von Georg Hammerstein in Schelklingen.

1904 schließen sich mit Ausname der Firma Dyckerhoff alle süddeutschen Zementwerke der 1893 von Spohn und dem Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft gegründeten Verkaufsstelle an. Es entsteht die Süddeutsche Cement-Verkaufsstelle Heidelberg, die unter eigenen Namen den Verkauf der Produkte aller Partner zentral organisiert.
Bevor das Ziel, den Zementmarkt zu stabilisieren und den durch Überkapazitäten verursachten Preiskampf einzugrenzen, erreicht werden konnte beendete der Erste Weltkrieg alle weiteren Entwicklungen. Um den Kapitalbedarf für einen Neuanfang nach dem Krieg decken zu können schlossen sich die Portland-Cement-Werke Heidelberg und Mannheim AG und die Stuttgarter Immobilien- und Baugeschäft AG im Jahr 1918 zur Portland-Cementwerke Heidelberg-Mannheim-Stuttgart AG zusammen, die nach der vollständigen Übernahme der Gebr. Spohn und anderer Betriebe 1938 zur Portland-Zementwerke Heidelberg AG wurde.2

Damit teilten sich heute nur noch zwei große Unternehmen das Zementgeschäft an Ach, Blau und Schmiech: Schwenk und die Heidelberger.
Aus den Anfangszeiten, als Investitionen in den neuen Baustoff noch hohe Rediten versprachen, durch weiter entwickelte Technologien, Überkapazitäten, Preisverfall, Marktbeschränkungen und Kriege das eingesetzte Kapital aber oft genau so schnell wieder verloren ging, hat sich die Branche zu einem stabilen Markt entwickelt. Die aktuellen energie- und klimapolitischen Entwicklungen und Herausforderungen oder konjunkturelle Schwankungen im Bausektor werden auch längerfristig nichts daran ändern, dass die Alb ein wichtiges Zentrum der Zementindustrie bleibt.

Nachdem sich Zement als Baustoff für Hochbauten durchgesetzt hatte entdeckte man auch die damit verbundenen neuen Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten. Es entstanden Fabriken, die aus Roman- und später Portlandzement Dachplatten, Bodenbeläge, Gesimse und vieles andere herstellten. Die neuen Zement-Produkte werden unter dem Begriff Kunststein zusammengefasst.
Die Geschichte der Kunststeinindustrie ist im Bereich →Weißkalk, Marmor, Werk- und Kunststein näher beschrieben.

Bedeutende Personen und Familien dieses Industriezweigs
auf dem Alten Friedhof Ulm
→ Famile Leube
→ Eduard Schwenk
Sonderthema
→Kalk- und Zementtransport im Ur-Donautal (in Arbeit)
Literatur zum Thema
→Literaturliste Zementindustrie


Firmenliste Zementherstellung und Zementprodukte





Quellen:
1: s. → Literaturliste Zementindustrie (1) Cramer, ... eine Fabrik verschwindet
2: s. → Literaturliste Zementindustrie (2) Cramer, Geschichte des Zementwerks Schelklingen
3:→Die Geschichte des Unternehmens SCHWENK Unternehmenshomepage SCHWENK Zement (Stand: 18.3.23)
4: s. → Literaturliste Zementindustrie (10) Hermann Trautwein - Dr. Ernst Gustav Leube
5: s. → Literaturliste Zementindustrie (12) Otto Kehm - Die Entwicklung der oberschwäbischen Zementindustrie
6: Kgl. Württ. Statistisches Landesamt (Hrsg.) - Beschreibung des Oberamts Ehingen, Kommisionsverlag Kohlhammer, Stuttgart 1893 → google.books (Stand: 3.4.2023)
7: s. → Literaturliste Zementindustrie (16) Gerhard Scheible u.a - Allmendingen, Ein Heimatbuch zur Tausendjahr-Feier
8: s. → Literaturliste Wirtschaftsgeschichte Industriekultur in Ulm bis zum Zweiten Weltkrieg; Haug/Hillenbrand - Baumaterial aus Ulm: Ziegel und Zement
- alle anderen Daten: Stadtarchiv Ulm, Adressbuch 1812 - 1939



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