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Holzwirtschaft in Ulm


Seit Alters her war Ulm ein wichtiges Holzhandelszentrum für den süddeutschen Raum. Vor allem aus Oberschwaben und dem Allgäu kamen über Jahrhunderte hinweg Rund- und Brennholz auf Flößen über die Iller in die Stadt. An sog. Länden am Ufer der Donau wurden diese entladen, in ihre Bestandteile zerlegt und das Holz auf Märkten verkauft oder weiter verwendet. Ein Teil fand sich in den Zillen wieder, die als „Ulmer Schachteln“ dem Waren- und Personentransport Richtung Schwarzes Meer dienten. Ein anderer Teil ging in die Produktion vielfältigster Waren durch Ulmer Handwerker oder fand im örtlichen Baugewerbe Verwendung.

Aber nicht nur als Umschlagplatz spielte die Stadt ein tragende Rolle. Auch die Holzverarbeitung bildete besonders im ausgehenden 19. Jahrhundert ein wichtiges Standbein der heimischen Wirtschaft.
Entscheidend dafür war die Notwendigkeit für einzelne Mitglieder der Schifferzunft, sich neue Einkommensquellen zu erschließen. Jahrhunderte lang konnte die Ulmer Schiffsmeister gut von den Einnahmen der Flößerei und später der nach Fahrplan verkehrenden „Ordinari“-Schiffe leben. Der immer stärker aufkommenden Konkurrenz durch die Eisenbahn waren sie aber nicht mehr gewachsen. Für die im Umgang mit Holz erfahrenen Schiffsbaumeister lag es nahe, auf die verwandten Tätigkeiten als Wagner und Stellmacher auszuweichen oder ihre Lager- und Schopperplätze an der Donau aufzugeben und dafür Sägewerke zu errichteten. Diese waren wegen den inzwischen verfügbaren Dampfmaschinen als Antrieb vom Standort an einem fließenden Gewässer weit weniger als zuvor abhängig und konnten jetzt auch abseits der in Ulm schon weitgehend ausgeschöpften Wasserkraft der Blau errichtet werden. Einzelne Betriebe, wie die Firma
→ Gaiser u. Söhne
oder die
→ J.A.Molfenter GmbH & Co. KG
, hatten ihren alten Sitz im Blautal bis in die heutige Zeit beibehalten. Der Namen
Holz-Österle
ist in der Stadt noch vielen bekannt.

Wegen ihrer überregionalen Bedeutung als Handelsplatz schien die Stadt aber auch für auswärtige Unternehmen aus der Holz-Branche interessant genug um hier eigene Niederlassungen einzurichten. Für die Firma Boll aus Gelsenkirchen, wie auch für andere, war der Zug aber schon kurz nach der Wende in das 20. Jahrhundert im wahrsten Sinne des Wortes weitestgehend abgefahren. Durch die Bahn hatten sich die Märkte für Säge- und Brennholz inzwischen verlagert. Ihre Ulmer Geschäfte gingen schlecht und waren wenig erfolgreich.

Holz war aber auch lange Zeit ein wichtiger Werkstoff in Bereichen, in denen heute andere Werkstoffe dominieren. Ausgehend vom früheren Kutschenbau und dem besonders in Ulm praktizierten Bau relativ anspruchsvoll konstruierter Zillen wurden daraus mit dem aufkommenden Kraftfahrzeugbau Fahrerhäuser und Chassis für Autos und Lastkraftwagen gefertigt. Für den gelernten Wagner
Karl Heinrich Kässbohrer
war Holz die Grundlage seiner Karosseriefabrik in der er ab 1910 Aufbauten für Pkws und sein Sohn Otto ab 1928 die ersten Holzskelett-Karossen für Busse herstellte. Drehleitern, natürlich aus bestem Holz gefertigt, stellten eines der wichtigsten Produkte der Feuerwehr-Requisiten-Fabrik
C. D. Magirus
dar. Der Einstig in die Lastwagen-Produktion ab ca. 1909 war für die Söhne von Conrad Dietrich Magirus ein Impuls das Sägewerk von
J. G. Kurtz
zu übernehmen. Selbst die Vorgänger der heutigen Kühlschränke waren anfangs aus Holz. Als eines der damals renomiertesten Produzenten ist hier die
Ulmer Eisschrankfabrik Fink & Hummel (Eisfink)
zu nennen.

Zudem war bis Mitte des 20. Jh. auch die Baubranche in weit höheren Maß abhängig vom Baustoff Holz. Nicht nur Decken, Fachwerkwände und Hilfsbauten wurden daraus hergestellt, selbst Gerüste, Stützen und Verschalungen wurden ausschließlich aus Rohhölzern errichtet. Für Bauunternehmen wie die von Josef Rapp oder Richard Vogel war es daher vorteilhaft in der Nähe eines Sägewerkes angesiedelt zu sein oder über einen eigenen Bahnanschluss für die Anlieferung der Baumaterialien, hauptsächlich aus den vorderösterreichischem Raum, zu verfügen.

Die ab Mitte des 19.Jh. stark vertretene Möbelindustrie fand ihren Markt hauptsächlich in der in ihrem Wohlstand wachsenden Bevölkerung und durch das im Bildungsbürgertum aufkommende Bedürfnis nach standesgemäßem Auftreten. Jede Wohnung wollte mit zeitgemäßem Mobiliar ausgestattet werden, so konnten sich Großbetriebe wie
A. Wielath
und
Th. Berger
ausbilden.
Später dominierte dann
Möbel-Mayer
in Neu-Ulm diese Branche.

Die alte Schifferzunft gibt es heute noch. Sie widmet sich jedoch nur noch dem Brauchtum. Nach den Konkursen einer Reihe von alteingesessenen Baufirmen und dem Wegzug der Produktionsanlagen von Molfenter spielen Holzwirtschaft und Baugewerbe als die letzten ökonomischen Refugien dieser ehemals bedeutenden Gilde fast keine Rolle mehr im wirtschaftlichen Leben der Stadt.

Sonderthema Illerfößerei
Der Allmendinger Kaplan J. Bärtle hat 1926 einen Nachruf auf die inzwischen eingestellte Illerflößerei verfasst. Eine Übertragung dieser stimmungsvollen Milieubeschreibung aus der damals verwendeten Fraktur-Schrift kann im Artikel
→ Die Stadt Ulm und die Illerflößerei
nachgelesen werden.

Lesetipps
Die Geschichte der Ulmer Schiffbauer, wie Ulmer Zillen gebaut und welche Werkzeuge dafür verwendet wurden, beschreibt Liese Hailbronner in ihrem 1989 im Selbstverlag erschienen Büchlein
     Ein Leben mit der Donau - Eine Ulmer Schiffer- und Fischerfamilie
(Stadtbücherei Ulm, Ulm 29 Hailbronner, ISBN 3-88360-068-7)


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