Die erste Ulmer Zeitung geht vermutlich auf eine im Februar 1634 erlassene Anweisung des Rats der Stadt an den Buchdrucker Joh. Seb. Meder zurück, der beauftragt wurde, wöchentliche Nachrichten für das Kirchenbau-Pflegeamt zu drucken. Das Blatt erscheint aber erst zwischen 1672 und 1720 regelmäßig. Über Form und Inhalt dieser "Zeitung" ist jedoch nichts bekannt.4
Die folgenden Ulmer Zeitungen waren reine Anzeigenblätter, die ein- oder zweimal in der Woche mit 2-4 Blättern erschienen und noch wenig mit unserem heutigen Zeitungsformat zu tun hatte.
Die erste Ausgabe der "Ulmischen Wochentlichen Anzeigen" wurde am 19.Oktober 1752 durch den Buchhändler Jakob Wohler herausgebracht. Zu einem politischeren Blatt wurde diese Zeitung 23 Jahre später unter der Redaktion von Christian Friedrich Daniel Schubart. Es hieß dann schon längere Zeit "Ulmisches Intelligenzblatt".
Der Dichter, Komponist und Journalist aus Obersontheim fiel der Geistlichkeit und den Landesherren seit seiner Zeit in Geislingen wegen seiner sozialkritischen Schriften und der Kritik an der Aristokratie negativ auf. 1773 wurde er deshalb vom württembergischen Herzog des Landes verwiesen, musste aber zwei Jahre später in die freie Reichsstadt Ulm ziehen nachdem ihn auch Augsburg nicht mehr dulden wollte. Hier setzte er die Arbeit an seiner "Teutschen Chronik" und die Kritik an Adel und Klerus beim Ulmer Intelligenzblatt" fort. 1777 lockte man ihn unter einem Vorwand in das württembergische Blaubeuren, dort wurde er verhaftet und für 10 Jahre in den Kerker Hohenasperg eingesperrt.
In Geislingen erinnert heute ein Schubart-Pfad an die Lebensgeschichte dieses schwäbischen Rebellen, der heute noch Vorbild für einen unabhängigen Journalismus sein könnte.
Auch der Verleger Johann Friedrich Cotta fand mit seiner "Allgemeinen Zeitung" zwischen 1803 und 1810 Asyl im damals bayerischen Ulm.
Eine politische Berichtersstattung im heutigen Sinn war im Deutschen Biedermeier und Vormärz jedoch nicht möglich. Neben den amtlichen und privaten Anzeigen erschienen in den Blättern bis in die erste Hälfte des 19.Jh. meist nur erbauliche Aufsätze zu allgemeinen Themen, zeitlose Anekdoten, Gedichte, Abhandlungen zur Haus- und Landwirtschaft und Nachrichten zum eher unpolitischen Tagesgeschehen. Erst der "Allgemeine Anzeiger für den Donaukreis" erhielt im Februar 1820 die Genehmigung politische Nachrichten in einem eigenen Beiblatt mit dem Namen "Ulmer Zeitung" zu veröffentlichen. Er verzichtete wegen seiner überwiegend aus Königl. Beamten, Bürgermeistern und anderen Staatsdienern bestehenden Leserschaft jedoch weiter auf speziell landespolitische Berichte und Kommentare.
Auch das in der Wagnerschen Verlagsbuchhandlung erscheinende "Ulmer Intelligenzblatt" und der ebenfalls bei Wagner gedruckte "Ulmer Landbote" enthielt sich nach den Erfahrungen mit Schubart noch gänzlich der politischen Nachrichten und Kommentare um nicht in Konflikt mit den 1806 erstmals eingeführten Zensurbehörden des Oberamtes zu kommen. Diese waren dermaßen streng, dass manchmal schon scheinbar harmlose Gedichte Anstoß erregten, wenn darin ein zeitkritischer Ton angeschlagen wurde oder der Bezug auf eine auswärtige Angelegenheit den Missmut des entsprechenden Gesandten erregen könnte.
Reine Anzeigenblätter wie das Intelligenzblatt unterlagen bis zu einem eventuellen Widerruf nicht der Vorzensur. Blätter mit redaktionellem Teil wie die
Ulmer Kronik versuchten einer Rüge dadurch zu entgehen, dass sie bereits zensierte Nachrichten aus anderen Zeitungen übernahmen. War dies nicht möglich und strich der Zensor eine fragliche Passage, blieb die entsprechende Spalte in der Zeitung leer oder wurde mit "Censur-Lücke" gekennzeichnet. Dieses Kapitel der Zensur endet mit Königlicher Verordnung im März 1848, frei und unabhängig war die Presse damit aber noch nicht.
Während ausserhalb der nicht mehr freien Reichsstadt Redakteure weiter der puren Macht und Willkür der Landesfürsten ausgesetzt waren, schränkten sich die Ulmer Zeitungen oftmals auch aus eigenen, merkantilen Überlegungen weiter in ihrer journalistischen Arbeit ein.
Anlass war der Kampf um das Recht, amtliche Mitteilungen veröffentlichen zu dürfen, also das sog. Amtsblattprivileg zu besitzen.
Er führte zu oft dazu, die politische Orientierung eines Blattes hinter die wirtschaftlichen Ambitionen eines Verlegers zurück treten zu lassen. Die Auflagenhöhe einer Zeitung konnte nämlich enorm gesteigert werden, wenn sie von den städtischen Behörden oder der Kreisregierung den Auftrag erhielt, die für eine breite Öffentlichkeit wichtigen amtlichen Bekanntmachungen zu veröffentlichen. Diesen bekam man jedoch nicht ohne eine gewisse Bereitschaft zu Zugeständnissen bei der Berichterstattung.
Der Drucker und Verleger
versuchte mit seiner
"Ulmer Schnellpost" dem bisherigen Inhaber, dem "Ulmer Intelligenzblatt", das Amtsblattprivileg abzunehmen, was ihm 1850 für das Amtsblatt der Stadt Ulm auch gelang. Die Kreisbehörden dagegen vergaben das Amtsblatt des Oberamtes an die neu gegründete
"Ulmer Zeitung". Nüblings bis dahin schärfster Konkurrent, die "Ulmer Kronik", hatte sich zuvor durch eine politisch extreme Haltung bei den Lesern und der Obrigkeit ins Abseits manövriert. Aber schon 1859 verlor Nübling das Amtsblattprivileg für seine Schnellpost dann doch an die "Ulmer Zeitung".
Der Kopf der Ulmer Schnellpost im Wandel der Zeit
1837, 1891, 1912
In den Folgejahren bis zur Jahrhundertwende entwickelte sich zwischen der "Schnellpost" von Nübling und dem
"Ulmer Tagblatt" unter
→Friedrich Ebner als Nachfolger der "Ulmer Zeitung" ein Wettstreit um die Vormachtstellung in der Ulmer Presselandschaft.
Während das Tagblatt von eher großdeutsch-konservativen Lesern gekauft wurde wandelte sich die Schnellpost von einem liberal-demokratischen Blatt zu einem Parteiorgan der Deutschsozialen Partei mit zunehmend antisemitischen Tendenzen, was dann neben dem Verlust der Amtsblattprivilegien zu heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen führte.
Die Schnellpost konnte ihre Auflagenhöhe von ca. 3000 Exemplaren zwischen 1875 und 1900 nur kurzzeitig auf 5000 Stück steigern um dann wieder abzusinken. Das Tagblatt dagegen vervierfachte in dieser Zeit annähernd seine Auflage von rund 3500 auf 13.000 Stück.
Angriffe auf den Ulmer Oberbürgermeister Wagner, ständige Rechtsstreitigkeiten und eine nachlassende journalistische Qualität zogen dann nach der Jahrhundertwende den wirtschaftlichen Niedergang der Schnellpost nach sich.
Um 1910 übergibt Nübling den Verlag der Schnellpost an Hans Hämmerle, der aber kurz danach selbst aufgeben muss. Seine Druckerei in der Frauenstraße 21 verkauft er an die Druckerei Baur & Schäuffelen. Nübling behält neben seinem Mandat als Landtagsabgeordneter für den Bezirk Münsingen nur noch den Verlagsbuchhandel.
Dennoch blieb Ulm neben Stuttgart der bedeutendste Pressestandort in Württemberg und konnte bis in die 1930er Jahre hinein mit einer vielfältigen Zeitungslandschaft aufwarten. Neben dem ebenfalls in der Wagnerschen Druckerei erscheinenden
"Ulmer Landboten" und dem Tagblatt
deckten weitere größere Blätter wie die 1890 als Aktiengesellschaft gegründete neue "Ulmer Zeitung" oder der von der Zentrumspartei gegründete
"Volksbote" sowie die etwas später von der regionalen SPD herausgegebene
"Donau-Wacht" das damalige politische Spektrum vollständig ab. Nach dem Ersten Weltkrieg versuchten dann auch kleinere Blätter wie die
"Ulmer Abendpost" oder der
"Ulmer Volksfreund" ihre Leserschaft zu finden, bevor die Gleichschaltung der Medien im Dritten Reich die Presse zu einem Instrument der Propaganda umfunktionierte.
Erstmals verwendet wurde der Begriff der Gleichschaltung im nationalsozialistischen Sinn in einem vom Reichsjustizminister Gürtler im März 1933 formuliertes Gesetz zur Vereinheitlichung der Verwaltung in den Ländern. Ziel war die Errichtung des Einparteienstaats. Staatliche Machtbefugnisse wurden zentralisiert, regimekritische Minister und Beamte entfernt, Parteien durch Repressalien zur Auflösung gezwungen und bisher freie Verbände in die Organisationsstruktur der NSDAP überführt.
Nicht immer war dafür Zwang notwendig. Oftmals erfolgte die Gleichschaltung durch freiwillige Anpassung an die neuen Verhältnisse oder gar unter bewusster Ausnutzung des sog. "Arierparagraphen", mit dessen Hilfe es möglich war, sich einen beruflichen Vorteil gegenüber einem jüdischen Kollegen oder Mitbewerber zu verschaffen.
1927 hatte die Ulmer Bevölkerung noch die Auswahl zwischen 6 Zeitungen. Nach dem 2. Juni 1934, dem Tag, als die Ortsgruppe Ulm/Neu-Ulm des Reichsverbandes der Deutschen Presse die Gleichschaltung vornahm, dominierte der "Ulmer Sturm". Andere Blätter hatten sich dem "nationalen Gedanken" unterzuordnen. In zwei 1935 vom NS-Regime erlassene Verordnungen wurden dann alle noch existierenden Zeitungsverlage quasi enteignet.
Nachrichten über den Einmarsch in Österreich, die Sudetenkrise und zu den anderen kriegsvorbereitenden Maßnahmen Hittlers konnte man danach nur noch mit völkischen Parolen versehen im Parteiorgan der NSDAP, dem Ulmer Tagblatt/Ulmer Sturm, lesen.
Nach dem 2.Weltkrieg taten sich die westlichen Siegermächte schwer im neuen, demokratischen Deutschland eine von der NS-Ideologie befreite Presse zu etablieren. Erschienen die wichtigsten Informationen und Nachrichten anfangs noch in von den alliierten Truppen selbst herausgegebenen Zeitungen versuchte man ab November 1945 durch die Erteilung von Lizenzen weiterhin nationalsozialistisch gesinnte Journalisten und Verleger von der Pressearbeit fern zu halten.
In Ulm wurden über solche Lizenzen die
"Ulmer Nachrichten" und die von den unbelasteten Publizisten Kurt Fried, Johannes Weißer und Paul Thielemann gegründete
"Schwäbische Donau-Zeitung" zugelassen.
Bis zur Erteilung einer Generallizenz im September 1949, mit der faktisch die Pressefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland wieder eingeführt wurde, versuchten die sog. Altverleger, also die Eigentümer von Zeitungen, die mit einer NS-Vergangenheit belastet waren und nun einem journalistischen Berufsverbot unterlagen, vergeblich durch politische Einflussnahme das Recht zur Herausgabe eigener Zeitungen zu bekommen.
Ulmer Tagblatt
vom 26.Oktober 1960
Nach der Aufhebung des Lizenzzwangs lebten zahlreiche dieser teils traditionellen Blätter wieder auf. Die Ulmer Verlegerfamilie Ebner beschritt dagegen einen anderen Weg und führte ihr Tagblatt nicht weiter. Sie übernahm vielmehr nach dem Tod von Johann Weißer wesentliche Anteile an der Schwäbischen Donau-Zeitung und fusionierte sie 1962 mit den Ulmer Nachrichten. 1968 erfolgte dann die Umbenennung zur Südwest Presse. Deren Inhaber ist seit einem Zusammenschluß mit der Neuen Württembergischen Zeitung (NWZ), Göppingen, die Neue Pressegesellschaft Ulm mit anteiligem Besitz der Familien Ebner und der ZVD Mediengesellschaft, dem früheren Eigner der NWZ.
Schon im Dezember 1945 erhielten der Leutkircher Zeitungsverleger Max Drexler, der Friedrichshafener Verleger Othmar Gessler und der ehemalige Verlagsleiter der Frankfurter Zeitung, Wendelin Hecht, von der französischen Militärregierung die Genehmigung eine "Schwäbische Zeitung" in Leutkirch herausgeben zu dürfen. Das Blatt sollte nicht nur den Raum Oberschwaben abdecken sondern auch einen überregionalen Markt erobern. Aus diesen Expansionsbestrebungen heraus entstanden 1966 Lokalredaktionen in Aalen, Ellwangen, Tuttlingen und Ulm. Gedruckt wurde die Zeitung bei der Süddeutschen Verlagsgesellschaft in der Ulmer Sedelhofgasse. 1982 gründet der Schwäbische Verlag als Herausgeber der Schwäbischen Zeitung im Ulmer Donautal das Druckhaus Ulm-Oberschwaben, an dem auch die Neue Pressegesellschaft Ulm mit dem Druck der Südwest Presse zur Hälfte beteiligt ist.
Die "Schwäbische", wie die Zeitung meist kurz genannt wurde, sprach eher katholisch-konservative Leserkreise an und fand in der evangelischen, eher nach links orientierten Ulmer Bevölkerung nicht den erhofften Anklang. Ab 1997 erfolgte eine Neuausrichtung des Verlags, in deren Folge 2004 die Ulmer Lokalredaktion geschlossen wurde. Die Betreuung des Ulmer Raums hat die Laichinger Lokalredaktion übernommen.
Seit dem Rückzug der Schwäbischen Zeitung besitzt die Südwest Presse faktisch ein Informations-Monopol im Bereich der lokalen Printmedien. Diese Medienkonzentration birgt unweigerlich die Gefahr einer gezielten Auswahl an Nachrichten und damit einer eingeschränkten Meinungsvielfalt. Was zu königlichen Zeiten überlebenswichtig war und unter einem Diktator noch per Gesetz erzwungen werden musste hat sich heute in gewisser Hinsicht als marktliberale Entwicklung von selbst eingestellt.
Den einstigen Kampf um Marktanteile, der mit dem Ringen um das Amtsblattprivileg begann, hat eine übermächtige Medien- und Werbeindustrie für sich entschieden. - Verlierer ist der Ulmer Zeitungsleser.