Flößerherbergen zu Ulm und Neu-Ulm ihren eigenen Stamm-tisch hatten. Die Kemptener Stadtflößer hatten Sinn für "saubere Arbeit". Wer bei einem Kemptener Floßherrn ettliche Jahre mit Erfolg gedient hatte, der konnte nachher als Oberknecht überall eine gute Stellung erhalten. Die Familie Schnetzer aus Kempten befaßte sich lange Zeit hindurch mit Käsetransport. Nur durchaus zuverlässigen Floßführern konnte man diese Käseladung anvertrauen, die in der Regel am Donnerstag früh in Kempten wegfuhren und, wenn kein Unfall eintrat, am Freitag nachmittag zu Ulm ankamen. Als einmal durch einen unglücklichen Zufall ein so befrachtetes Schiff auf einen Felsen auffuhr, fielen die Fässer ins Wasser und versanken. Andere Floßführer waren aus A l t u s r i e d (Kienle), K r u g z e l l (Abele, Bohneberger), L e g a u (Graf), A i t r a c h (Ganasch, Wagner, Wachter), M o o s h a u s e n (Barscher, Diem), T a n n h e i m (Locher), B e r k h e i m (Gopper), E r o l z h e i m (Fleck), K i r c h b e r g (Kracker, Schaupp), S i n n i n g e n (Buhler, Walker), B a l z h e i m (Rommel, Scheuffele, Walcher), B r a n d e n b u r g (Graf). Mitunter kamen an einem Tage 30 ̶ 40 Flöße zu Ulm an. Dann war Hochbetrieb, zumal beim Donauzoller an der Zie-gellände. Die Flöße wurden gelandet und ihrer Last (Bret-
ter, Latten, Brennholz) entledigt. Dann gab der Donauzoller das Kommando "Hinab mit dem Floß ins Schleifloch!". An dieser Stelle, die ettliche hundert Meter unterhalb der An-landestelle war, wurden die Stämme auseinandergehauen, auf den Schleifkarren geladen und mit Pferden ans Land ge-zogen. Die mächtigen Holzlager, die sich von der Wirtschaft zur "Gifthütte" an über den Platz, wo heute die Fabrikan-
lagen von Magirus stehen, sich ausdehnten bis an das Blau-beurer Tor, füllten sich mit Langholz und die "Spänhauer",
wie die Zimmerleute genannt wurden, bekamen wieder Arbeit. Ihr Lohn bestand in den abfallenden Spänen, die sie in Büschel banden und an die Bäcker verkauften. Bei guten Leistungen bekamen sie als Zulage noch Biermarken. In der Natur der Sache liegt es, daß die meisten Flöße in den Som-mermonaten nach Ulm kamen. Bei der strengen Winter-
kälte, bei der die Iller mitunter einfror, mußte die Flößerei
in der Hauptsache ruhen. Die Flößer suchten wenigstens noch auf den St. Nikolausmarkt nach Ulm zu kommen um sich neben anderem für den Winter ein genügendes Quantum Rauchtabak Marke "Schwarzer Reiter", einzukaufen. Beim Kaufmann Nübling neben der Schranne bekamen sie das Päcklein gerade um einen Kreuzer billiger als auf dem Dorfe. Während des Winters brachten die Flößer ihre Seile, Boh-
rer, Beile und anderen Werkzeuge wieder in Ordnung, hal-
fen mit beim Fällen und Heranführen des Langholzes und sehnten sich nach dem Frühling. Wenn am Sonntag Oculi
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dritter Sonntag der Fasten-/Passionszeit
das Evangelium von der Teufelsaustreibung verlesen wurde, dann wußten die Flößer, daß die Zeit zum Verlassen der warmen Stube und zur Wiederaufnahme der Arbeit gekom-men sei.
Beim Donauzoller.
Der Donauzoller, der auch Dammgeldeinnehmer, An-ländegeldeinnehmer, Weidenhüter und Förge genannt wurde, hatte in amtlicher Eigenschaft im Auftrag der Stadt Ulm gar viel mit den Illerflößern zu schaffen. Einen Donauzoller gab es an der Ziegellände, an der Gänstorlände und früher auch an der Herdbruckertorlände. Seine Amtsgewalt war viel-
seitig und berührte das Technische (Auffangen der Flöße), das Polizeiliche (Aufsicht über die Holzlagerplätze), sowie das Fi-nanzielle (Zolleinnahme). Außerdem war er Wirtschaftsfüh-
rer und sah es nicht ungern, wenn die Flößer und Uferarbei-
ter zu einem Vespertrunk in seine Schenkstätte kamen. Falls die Flößer beim Anlanden der Flöße seinen Weisungen nicht folgen wollten, konnte er ungemütlich werden und unter Hin-weis auf seine amtliche stadtulmische Stellung die Drohung ausstoßen: "Ich ziehe meinen Kittel an und gehe aufs Rat-haus". Der Donauzoller hatte die Aufsicht über die "Vor-städter", wie noch vor 100 Jahren die Holzhändler und Schiffs-leute genannt wurden. In seiner Vereidigungs- und Anstel-
lungsurkunde vom Jahre 1806 heißt es: "Der Donauzoller muß wohl acht haben, daß im Kauf und Verkauf des Holzes und der Holzwaren überhaupt nicht gegen Ordnung und Ge-setz gehandelt werde, daß die Abgaben, welche der Stadt ge-hören, mit aller Aufmerksamkeit und Sorgfalt eingezogen und mit Gewissenhaftigkeit in ein Register eingeschrieben
werden und auf gleiche Weise dem Stadtkassieramt überlie-fert werden". In einer späteren Urkunde wird dem Donauzol-
ler ausdrücklich eingeschärft, "sich des Holzhandels gänzlich zu enthalten". Dies ergab sich aus seiner amtlichen Stellung.
[ ... ]
Der Donauzoller an der Ziegellände scheint einige Zeit hindurch auch Inhaber einer Fähre gewesen zu sein und hatte noch vor etlichen Jahrzehnten die Aufsicht über ein ihm anvertrautes Rettungsschiff. Die beiden letzten Donauzoller, die im Jahre 1906 noch von der Stadtgemeinde Ulm angestellt wurden, waren Jakob M o l f e n t e r (Ziegellände) und Karl Z u b e r, Sohn des bekannten früheren Donauzollers Eduard Zuber (Gänstorlände). Etliche Jahrzehnte zuvor treffen wir die Namen Thomas H e i l b r o n n e r (Ziegellände) und Konrad M o l f e n t e r (Gänstorlände). Zwischen hinein finden wir das wichtige Amt in den Händen der Familie R o t h und K ä ß -
b o h r e r. Aus allem ergibt sich, daß der Donauzoller weitgehende Befugnisse und wenigstens zur Blütezeit der Illerflößerei ein schönes Einkommen hatte. Der Zoll betrug noch im Jahre 1862 "vom Verkäufer ¼ x. *) vom fl. Erlös, vom Käufer, sofern er hiesiger Einwohner ist und nicht Handel mit der betr. Sache treibt, 1/8 x. vom fl. Erlös, wenn dagegen ein Handel mit der betr. Sache betrieben wird, oder der Käufer kein hiesiger Einwohner ist, ¼ x. vom fl. Erlös"
[2]
1 Gulden (fl.) = 60 Kreuzer (x.)
.
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Von dem Zollgeld oder Dammgeld, das ums Jahr 1860 jährlich im Durchschnitt 3400 fl. ausmachte, dagegen im Rechnungs-jahr 1899/1900 auf 1690 Mk.
[2]
entspricht 986 Gulden (fl.)
und im Jahre 1906/07 gar auf 157 Mk. zurückgegangen war, bekam der Donauzoller 10%, außerdem hatte er freie Wohnung, bekam die Wirtschaft zum Vorzugspacht von 600 Mk., für Auffangen eines Floßes erhielt er 30 Pfg., für die Behandlung und Beaufsichtigung 40 Pfg., an Sachleistungen erhielt er von jedem Floß die Ruderbretter, den Hackenpfahl sowie den sog. "Tremmel" im Gesamtwert von 30 Pfg. Der Schopperplatz auf dem rechten Donauufer unterhalb der Eisenbahnbrücke ist wohl heute noch mit solchen Ruderbrettern eingezäunt, die einst einen wichtigen Einkommensbestandteil des Donauzollers gebildet hatten.
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In den Flößerherbergen.
Heinrich Hansjakob weiß zu berichten, daß die Flößer des Kinzigtales im Schwarzwald auf ihren Fahrten stets einen Logel
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ca. 60-80 Liter
Wein mit sich führten. Von den Illerflößern ist in die-ser Hinsicht zu sagen, daß der Iller entlang eine Reihe von Flößerherbergen waren, in denen sie sich wieder erfrischen konnten. Bekannte Flößerherbergen waren das "Rößle" zu Ferthofen, der "Hirsch" zu Mooshausen, das "Kreuz" zu Egel-see, der "Engel" zu Pleß, die "Steige" zu Kellmünz, das "Kreuz" zu Dietenheim, der "Mohren" zu Brandenburg. Bei der schweren körperlichen Arbeit, welche die Flößer zu leisten hatten, ist es begreiflich, daß sie weder Verächter eines guten Bissens noch eines guten Trunkes waren. Bekannt waren die sog. "Flößerplätze". Zu Ulm hatten die Flößer bestimmte
Lokale mit eigenem Stammtisch, über welchen nach dem Vor-bild der mittelalterlichen Zünfte ein naturgetreues Floß an
der Decke aufgehängt war. Mit der ihm eigenen Lebhaftigkeit und Anschaulichkeit wußte der kürzlich in Ulm verstorbene 80jährige Privatier Heinrich Buck
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Holzhändler, Teilhaber der Fa. Mayser u. Buck, Schillerstr. 52
das Leben und Treiben
der Flößer in ihren Ulmer Herbergen zu schildern. Vor 60 und 70 Jahren hatte er noch die alten Floßherren gesehen, die im Bewußtsein ihrer Bedeutung und ihres Besitztums mit Ringen an den Finngern und einem großen Siegelring im schwarz-seidenen Halstuch durch die Straßen zogen, etwa dem "Lämmle" oder dem "Mohren" oder dem unterdessen einge-gangenen "Wägnerle" zusteuernd, wo sie sich in der Regel
*) x. = Kreuzer; fl. = Gulden