<<Gestern & Heute -- 175 Jahre Eisenbahn in Ulm

Die Bahn kommt nach Ulm


Die württ. Ostbahn Stuttgart - Ulm

Eröffnung: Geislingen - Ulm, 29.Juni 1850

„Meine Herren, wir können uns bei unserem Vorhaben auch fürderhin des vollkommensten Wohlwollens und der Unterstützung Seiner Königliche Majestät gewiss sein!“

Mit diesen oder zumindest ähnlichen Worten dürfte →Conrad Dieterich Haßler am 28. Februar 1836 um die Zustimmung der „Actionaire“ zur Vereinigung der Ulmer Eisenbahn-­Gesellschaft mit einer gleichartigen Stuttgarter Gesellschaft geworben haben. Diese Fusion bedeutete das vorläufige Ende eines ersten selbstständigen Eisen­bahn­-Unternehmens unter Ulmer Regie.


Die Ulmer Eisenbahn-­Gesellschaft war erst kurz zuvor, im Dezember 1835, von einer Reihe finanzkräftiger und einflussreicher Bürger der Stadt gegründet worden.


Die Planung einer Eisenbahn für das Königreich Württemberg stand schon länger im Raum zumal der Außenhandel durch den Zusammenschluss der deutschen Länder zum Deutschen Zollverein (1834) einen deutlichen Aufschwung erfahren hatte und neue leistungsfähige Verkehrswege notwendig wurden.


Am 22.09.1835 sah sich der Stadtrat veranlasst in einer Resolution an die Württembergische Regierung die Berücksichtigung Ulms beim Bau der Eisenbahn eindrücklich zu fordern. Dabei war sich die Bürgerschaft selbst durchaus nicht einig in dieser Frage. Die Vertreter des lokalen Kleingewerbes und des Handwerks sahen ihren eigenen Markt gefährdet durch billige auswärtige Waren, die dann vermutlich das Land überfluten würden. Großkaufleute und die langsam aufkommende Industrie witterten dagegen eine Chance, so ihre eigenen Geschäfte voran bringen zu können.


Erst sieben Jahre später diskutierte man in der württembergischen Ständeversammlung einen Gesetzentwurf, wonach Eisenbahnen auf Staatskosten durch die „Königlich Württembergischen Staats­ Eisenbahnen“ (K.W.St.E.) gebaut werden sollen.


Der Plan enthielt eine west­östliche Linie vom Rhein über Cannstatt durch das Filstal nach Ulm, eine Linie zur Verbindung von Friedrichshafen mit Ulm und eine Bahn zur Anbindung des nord­-östlichen Landesteils und Heilbronns mit der Stadt Stuttgart.


Es sollte aber noch ein weiteres Jahr, bis zum 18. April 1843, dauern, bis das württembergische Eisenbahngesetz verabschiedet werden konnte. Hierin war nun auch endgültig die Trasse der Hauptbahn Heilbronn – Bodensee über die Alb nach Ulm festgeschrieben. Ein Eisenbahnanschluss schien nun greifbar nahe. Das war auch dringend nötig, die sich gut entwickelnde Industrie verlangte schon länger nach besseren und billigeren Transportwegen.


Im Jahr 1845 (nach anderen Quellen bereits im Sommer 1844) erfolgte nun endlich der erste Spatenstich für die damals so genannte Ostbahn und der ersten Teilstrecke von Cannstatt nach Unter­ türkheim. Den ersten Bahnhof in Stuttgart, den man damals an der Schlosstrasse gegenüber dem Königsbau, gebaut hatte, erreichten die Schienen am 26. September 1846


Der 29. Juni 1850 sollte dann zum großen Festtag der Eröffnung der Ost-­ und Hauptbahn zwischen Heilbronn und Ulm werden, nachdem die weiterführenden Strecken Richtung Norden schon vorher in Betrieb gegangen waren.


Noch heute erinnert ein Denkmal neben den Gleisen der Geislinger Steige an die Leistungen von Michael Knoll, der als gelernter Feld­messer und späterer Oberbaurat entscheidenden Anteil an der Realisierung dieser ersten europäischen Mittelgebirgsbahn hatte.


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Die Südbahn Friedrichshafen - Ulm

Eröffnung: Biberach/Riß - Ulm, 1.Juni 1850

Die Strecke Ulm ­- Friedrichshafen war von Anfang an ein wichtiger Bestandteil des württembergischen Eisenbahnnetzes und sollte in Konkurrenz stehen zur bayerischen Linie Augsburg – Lindau im Osten und zur badischen Bahn im Westen.


Charles Vignoles, ein britischer Eisenbahningenieur der nicht nur zum Namensgeber der heute noch verwendeten Form von Eisenbahn­schienen wurde sondern auch im Auftrag der württembergischen Regierung die Planungen zu den Hauptbahnen begutachten sollte, schlug in diesem Zusammenhang eine Linienführung von Schussenried über Ehingen und Blaubeuren nach Ulm vor.


Als Folge seiner Bedenken über die beabsichtigten Steigungen zur Überquerung der Schwäbischen Alb wurden auch seine Vorschläge zur Südbahn verworfen


1842 legte dann der österreichische Generalinspekteur Alois von Negrelli eine Analyse zu den weiteren württembergischen Eisen­bahnplänen vor, die wegen seiner befürwortenden Stellung zur Machbarkeit einer Bahnstrecke Ulm ­- Bodensee in Oberschwaben allseits positiv aufgenommen wurde.


Mit dem gleichen Gesetz vom 18. April 1843, mit dem der Bau der Ostbahn Stuttgart ­- Ulm festgeschrieben wurde, ist auf Grundlage dieser Negrelli ́schen Pläne auch der Bau der Südbahn verabschiedet worden.


Am 8. November 1847 konnte die Eröffnung der Strecke Friedrichshafen ­- Ravensburg (Planung und Bau durch Ingenieur Knoll, s.o.) gefeiert werden.


Im Mai 1849 erreichten die Gleise von Ravensburg aus kommend die 47 Kilometer entfernte Stadt Biberach. Der unter dem Ulmer Bauinspektor Closs geplante und ebenfalls im Jahr 1847 begonnene Abschnitt Biberach – Ulm wurde dann am 01. Juni 1850 fertig gestellt.


Wegen eines Moores und der schwierigen geologischen Verhältnisse am Ulmer Kuhberg sollte die Strecke vorerst nur bis Erbach führen. Mit einer Pferdeomnibuslinie wäre es weiter nach Ulm gegangen.


Die Schwierigkeiten konnten dann aber gemeistert werden. Man fand eine bessere Lösung, schüttete einen Teil der Donau südlich des sog. Rutschhangs mit Kies auf, führte die Strecke über das so stabilisierte Donauufer und ersparte sich damit einen kilometerlangen Umweg.


Die Oberbauleitung an der Südbahn hatte der Architekt Ludwig Friedrich Gaab. Bahntechnisch konzeptioniert und durchgesetzt wurde sie aber von Oberbaurat Carl Etzel, dem späteren Erbauer der Bahn über den Brenner.


Noch vor dem 1. Weltkrieg wurde diese wichtige Hauptstrecke zwei­ gleisig ausgebaut, im Gegensatz zur Linie Stuttgart – Ulm – München aber erst Ende 2021 elektrifiziert.



Die Maximilians-Bahn München - Ulm  /   Wilhelm­-Maximilan-­Brücke Neu-Ulm - Ulm

Eröffnung: Burgau - Neu-Ulm, 26. September 1853
Eröffnung: Neu-Ulm - Ulm, 1.Mai 1854

Nach dem Bau der ersten deutschen Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth, 1835, gründeten sich, wie in Württemberg und in vielen anderen deutschen Ländern auch, in Bayern örtliche Eisenbahn­komitees zum Bau ähnlicher Strecken. So auch jeweils in Augsburg und München. Diese beiden Gruppen vereinigten sich 1837 zur München-­Augsburger Eisenbahn-­Gesellschaft und beauftragten den Ingenieur Paul Denis mit dem Bau einer Verbindung beider Städte. Die Konzession dafür hatte sie noch im Gründungsjahr erhalten.


Die Eröffnung der Teilstrecke München – Augsburg der sog. bayerischen Ludwigs-­Süd-­Nord-­Bahn fand am 4. Okt. 1840 statt.


Eine Verlängerung der Richtung Salzburg geplanten Süd­-Ost-­Bahn (1860 fertiggestellt) nach Ulm und die Herstellung einer unmittelbaren Verbindung zwischen den beiden Staats­eisenbahnen der Länder Bayern und Württemberg regelte ein Staatsvertrag mit Datum vom 24. April 1850.


Württemberg verpflichtete sich drin in Ulm auf eigene Kosten Räume und Betriebsanlagen, den sog. Bayerischen Bahnhof, für den ausschließlichen Gebrauch durch die für diese Strecke zuständigen „Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen“ (K.Bay.Sts.B.) zu bauen und bereit zu stellen.


Hintergrund für dieses Zugeständnis war die Tatsache, dass die Württembergische Bahnverwaltung ein großes Interesse an einer Anbindung an das bayerische Netz hatte. Erwartete man sich doch dadurch eine erhebliche Verkehrszunahme auf der Ostbahn von Stuttgart nach Ulm.


Die Münchner Bahnverwaltung hingegen konnte für den wichtigen Verkehr nach Frankreich und dem Saargebiet auf alternative Strecken z.B. über Würzburg zurück greifen.


Die erste in Ulm sichtbare Etappe dieser Hauptbahn war der Bau einer Donaubrücke, die im Februar 1852 begonnen und nach den gerade herrschenden Potentaten benannt wurde. Unter dem Namen Wilhelm­-Maximilan-­Brücke kannte sie jedoch kaum jemand. Für die Ulmer war sie immer nur „d' Oisebahbrück“.


Noch bevor diese Donau­-Querung fertig gestellt war konnte man sich am 26. September 1853 in Neu-­Ulm freuen über die Eröffnung der Teilstrecken Dinkelscherben ­- Augsburg und Neu-­Ulm ­- Burgau. Lediglich in Ulm wurde diese Freude vorläufig von der Tatsache getrübt, dass die Passagiere mangels einer durchgehenden Verbindung mit Pferdekutschen von Neu­-Ulm aus zum Ulmer Bahnhof transportiert werden mussten, denn die Wilhelm­-Maximilan-­Brücke war immernoch nicht fertig.


Aber dieser Zustand sollte nicht all zu lange anhalten. Zum 1.Mai 1854, mit Fertigstellung der Brücke, war dann auch die als Maximiliansbahn bezeichnete Linie Ulm – München durchgehend befahrbar. Bayerische Lokomotiven fuhren ab dem Tag regelmäßig in den Ulmer Bahnhof und übernahmen dort Güter­ und Personenzüge nach Süden und Südosten bis Italien und den Balkan.


Wilhelm­-Maximilan-­Brücke


Der schnell zunehmende Verkehr machte bald einen zweigleisigen Ausbau notwendig, der im Jahr 1892 abgeschlossen werden konnte.


Die Illertalbahn Kempten - Ulm

Eröffnung: Memmingen - Ulm, 11.Oktober 1862

Etwa zur gleichen Zeit als in Württemberg die gesetzlichen Grundlagen für den Bau einer Eisenbahn geschaffen wurden, also im Jahre 1843, regten sich ähnliche Wünsche auch im bayerischen Schwabenland.


Kempten forderte den Bau einer Eisenbahn über Memmingen und Illertissen nach Ulm. Sie sollte entlang einer viel befahrenen Landstraße führen, die schon im Mittelalter den Verkehr von Italien an den Rhein geleitet hatte. Bei der bayerischen Regierung stieß diese Initiative jedoch lange Zeit auf wenig Gegenliebe. Erst 17 Jahre später, 1860, gelingt es der Stadt Memmingen mit einem Plan zum Bau einer Illertalbahn Gehör bei den hohen Herren in München zu finden.


Am 18. September 1861 wurde der Stadt dann die Konzession hierfür erteilt.


Der Staat Bayern verpflichtete sich darin die Strecke nach deren Fertigstellung zu pachten und den Betrieb durch die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen sicher zu stellen.


Am 11. Oktober 1862 konnte mit einem großen Fest in Memmingen die Bahn von Ulm über Neu­Ulm und Illertissen eingeweiht werden. Die Weiterführung bis Kempten wurde am 1. Juni 1863 fertig gestellt.


Die Donautalbahn Sigmaringen - Ulm

Eröffnung: Blaubeuren - Ulm, 2. August 1868

Der abgelehnte Vorschlag Vignoles, die Südbahn über Schussenried zur Donau nach Ehingen zu führen, fand jedoch die Unterstützung des Baudirektors der Bundesfestung Ulm, des Oberleutnant Moritz v. Prittwitz.


In einem 1845 erstellten Gutachten hebt er hervor, „dass die gedachte Linie in commercieller und strategischer Beziehung von besonderer Wichtigkeit erscheine, weil im Allgemeinen eine Eisenbahn in der Richtung des Donauthales gegen Schaffhausen und Basel hin, künftig wahrscheinlich die kürzeste und südlichste Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen von Europa bilden werde.“


Die Idee einer Donautalbahn arbeitet er detailliert in seinem 1849 erschienenen „Vorläufigen Entwurf einer Eisenbahn zwischen Ulm und Basel“ aus. Seine Strecke führt dabei jedoch von Söflingen, Ehrenstein, Klingenstein und Blaubeuren, wie heute auch, über Schelklingen, Groß­- und Klein-­Allmendingen bis Ehingen.


Von dort geht er wegen der vielen Krümmungen im Donautal nicht über Munderkingen und Marchtal sondern macht einen Bogen über Unterstadion, Sauggart und Uttenweiler um Riedlingen zu erreichen.


Prittwitz tritt entschieden dafür ein, diese Bahn durch eine Privatgesellschaft bauen zu lassen weil seiner Meinung nach „die Staatsregierungen fast überall die Eisenbahnen unverhältnißmäßig theuer bauen ...“ und „ ...bei Bahnen, die mehrere Staaten durchschneiden, die Leitung des Baus unter der Administration einer einzigen Privatgesellschaft überhaupt viel einfacher ist.


Der Bedarf für solch eine Bahn in Richtung Schweiz wird zwar allgemein anerkannt, die Fertigstellung anderer, bereits begonnener Strecken hat aber Vorrang.
Erst das 2. Eisenbahngesetz von 1858 sah dann neben der Brenzbahn auch eine Verbindung in den Schwarzwald und in die Schweiz vor.


Bei der Realisierung neuer Bahnen werden aber doch wieder andere Linien bevorzugt, was die Eisenbahn­-Comites der Städte und Gemeinden zwischen Ulm und Tuttlingen 1861 zu einer deutlich formulierten Denkschrift über „Die Erbauung einer Eisenbahn von Ulm gegen Schaffhausen und den oberen Schwarzwald auf Staatskosten, eventuell durch Privatmittel“ veranlasst.


Eines der Mitglieder des Eisenbahnvereins in Blaubeuren ist Ferdinand von Steinbeis, zu der Zeit Blaubeurer Landtagsabgeordneter und Präsident der Vorgängerorganisation des heutigen Landesgewerbeamtes.


In dieser Denkschrift wird die Notwendigkeit der Bahnlinien Ulm – Freiburg – Chaumont ([sic] womit Colmar gemeint sein dürfte) und Ulm – Meßkirch – Stockach mit Anschluss an die Strecke Schaffhausen – Basel eindringlich beschrieben.


An letztgenannter Trasse wären drei Staaten beteiligt. Neben Württemberg waren das Baden und Preußen, die natürlich jeweils eigene Interessen in Sachen Eisenbahnbau verfolgen.
Das Herzogtum Baden sah seinen eigenen Verkehrsschwerpunkt im Schwarzwald und begann bereits 1863 mit dem Bau der Bahn von Offenburg nach Singen.
Das preußische Hohenzollern dagegen war selbst zu klein für eine eigene Eisenbahnverwaltung, interessierte sich aber sehr für dieses Verkehrsmittel. Später versuchte auch das preußische Militär ein gewichtiges Wort bei der Streckenplanung mit zu reden, war doch die Eisenbahn im Südwesten entscheidend für die Nachschubsicherung bei den Kriegen gegen den Erzfeind Frankreich.


Alles zusammen führte dann dazu, dass die Bahn durch das Donautal von mehreren Seiten aus gleichzeitig in Angriff genommen wurde. Begonnen wurde mit dem Teilstück Ulm – Blaubeuren, das am 2. August 1868 in Betrieb ging. Es dauerte jedoch weitere drei Jahre bis man 1873 endlich Sigmaringen erreicht hat.


Die Streckenführung der Donautalbahn in der Ulmer Gegend war immer wieder umstritten. Sie sollte nach ersten Ausführungsplänen (1865) über Erbach nach Ehingen führen. Für eine eigene Linie Ulm - Blaubeuren war nur die Weiterführung über die Alb nach Münsingen vorgesehen


Per Gesetz vom 13. August 1865 wurde schließlich dann doch die Prittwitz'sche Trassierung über Schelklingen und Allmendingen beschlossen.


Selbst alt eingesessenen Ulmern mag manchmal die Tatsache verwirrend erscheinen, dass diese Strecke zwar Donautalbahn heißt, auf Ulmer Gemarkung aber nicht durch das Donau­ sondern durch das Blautal führt. Die namensgebende Donau wird schließlich erst bei Ehingen erreicht.
Dagegen verlässt die durch das Ulmer Donautal führende Südbahn den Fluß schon bei Erbach wieder in Richtung Süden


Entlang der Donau verläuft also die Südbahn und entlang der Blau die Donautalbahn.


Die Brenzbahn Aalen - Ulm

Eröffnung: Langenau - Ulm, 5. Januar 1876

Sehr zeitig, schon im Jahr 1836, beteiligen sich die Stadt Heidenheim und einzelne wohlhabende Brenztäler Bürger an einer Eisenbahn­gesellschaft mit dem Ziel, dieses neue Verkehrsmittel in ihre Region zu bekommen. In der Gegend hatten sich viele Gewerbebetriebe angesiedelt die langsam zu frühindustriellen Betrieben heran wuchsen und auf bessere Frachtverbindungen angewiesen waren.


Die angedachte Hauptstrecke Cannstatt – Aalen – Heidenheim – Sontheim – Donau stieß jedoch auf den heftigsten Widerstand der Stadt Ulm die befürchtete in diesem Fall als zweitbedeutendste Gemeinde des Landes nur über eine Nebenstrecke an das überregionale Bahnnetz angeschlossen zu werden.


Nach der heftigst umstrittenen Einscheidung für die Filstaltrasse als Hauptbahn, die im Eisenbahngesetz vom 18. April 1843 ihren Niederschlag fand, rückte die Bahnfrage in Ostwürttemberg erst einmal in den Hintergrund, bekam dann aber mit dem „Gesetz betreffend die weitere Ausdehnung des Eisenbahnnetzes“ vom 17. November 1858 neuen Auftrieb.


In dessen Artikel 2 wird der Bau einer Bahn von Crailsheim über das Jagst-­, Kocher-­ und Brenztal zur Ostbahn festgelegt. Allerdings ist darin nicht näher bestimmt zu welchem Zeitpunkt und auf welche Art und Weise der Anschluss an die Ostbahn erfolgen soll.


Kurios und von eisenbahngeschichtlicher Bedeutung ist in dem Zusammenhang die so genannte Brenzbahnklausel. Diese war Bestandteil eines Staatsvertrags vom 21. Februar 1861 zwischen den Königreichen Bayern und Württemberg über die Fortsetzung der Remstalbahn Stuttgart – Wasseralfingen bis zur Landesgrenze bei Nördlingen und den dortigen Anschluss an das bayerische Netz.


Württemberg musste sich als Gegenleistung für den Betrieb diese Linie der Bedingung unterwerfen, ab dem Tag der Eröffnung der Cannstatt – Nördlinger Bahn über einen Zeitraum von zwölf Jahren keine Schienenverbindung zwischen dieser und der Ostbahn Cannstatt – Ulm herzustellen. Der Grund lag darin, dass die Ver­bindung von Nördlingen zum Bodensee über diese verlängerte Brenz­bahn auf württembergischer Seite (bis Friedrichshafen) kürzer gewesen wäre als die bayerische Strecke bis Lindau und somit der Kgl. Bayerischen Staatsbahn Einnahmeverluste entstanden wären.


Unabhängig von der Brenztalklausel konnte mit einem Gesetz vom 10. Januar 1862 die Grundlage für den Bahnbau von Heidenheim aus nach Norden geschaffen werden.
Am 15. September 1864 ging der Abschnitt Heidenheim - Aalen in Betrieb.


Bemühungen, im Rahmen eines Abkommens über den Bau einer Bahnstrecke von Crailsheim nach Nürnberg die zwölfjährige Sperr­frist der Brenztalklausel zu verkürzen, blieben weiter erfolglos.


Erst durch einen Staatsvertrag vom 16. März 1872 wurde dann der Bau mit einem Korridor über bayerisches Gebiet gestattet. Diese Entscheidung löste in der Württembergischen Bahnverwaltung große Freude aus, verringerten sich doch die Baukosten durch die damit mögliche kürzere Trasse erheblich.


Eröffnet wurde die durchgehende Bahn von Aalen bis Ulm am 5. Januar 1876, nachdem auch die letzten technischen Schwierigkeiten bei der Durchleitung der Gleise durch die Anlagen der Ulmer Bundesfestung gemeistert werden konnten.

Die Schnellfahrstrecke Wendlingen - Ulm

Eröffnung: Wendlingen - Ulm, 9.Dezember 2022

Die sog. "Magistrale für Europa", eine Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Paris und Budapest/Bratislava, die über etwa 1500 km Ost- und Westeuropa miteinander verbinden soll, weist mit der Filstalbahn durch den dich besiedelten Streckenabschnitt Esslingen - Göppingen und mit der Geislinger Steige, die nur mit maximal 70 km/h befahren werden kann, zwei kritische Engpässe auf.
Der Verkehrswissenschaftler Prof. Gerhard Heimerl legte 1988 eine Denkschrift zu einer autobahnnah trassierte Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm vor, mit der dieses Manko behoben werden konnte.
Aus politischen Gründen wurde die Neutrassierung mit dem Umbau des bestehenden Stuttgarter Hauptbahnhofs zu einem Durchgangsbahnhof und einer städtebaulichen Nutzung des dabei freiwerdenden Bahngeländes zum Projekt "Stuttgart 21" verknüpft.


Die Umsetzung des Projektes wurde im Oktober 2006 im baden-württembergischen Landtag beschlossen. Dem gingen heftigste Proteste und Demonstrationen voraus, die sich jedoch hauptsächlich auf den Bahnhofsneubau und die dadurch notwendigen Umbauten der Zuführungsstrecken bezogen. Die Sinnhaftigkeit der Neubaustrecke über die Schwäbische Alb wurde dagegen kaum angezweifelt.


Am 2. Februar 2010 erfolgte der symbolische Spatenstich für das Gesamtprojekt. Mit den vorbereitende Bauarbeiten für die Schnellfahrtrasse nach Ulm wurde im Herbst des gleichen Jahres begonnen.
Der Streckenabschnitt Wendlingen - Ulm konnte am 9.Dezember 2022 mit einer Sonderfahrt feierlich eröffnet werden. Zwei Tage später startete der Planverkehr mit der Verlegung der meisten ICE-Verbindungen von der Ostbahn über Geislingen auf die Schnellfahrstrecke mit dem neuen Regionalverkehrs-Halt Merklingen/Schwäbische Alb.


Für die Fertigstellung des Abschnittes Wendlingen - Stuttgart und des Gesamtprojektes Stuttgart 21 gibt es weiterhin nur Absichtsbekundungen. Zeit- und Kostenplanungen haben inzwischen mehrfach die gesetzen Rahmen gesprengt.




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