„Meine Herren, wir können uns bei unserem Vorhaben auch fürderhin des vollkommensten
Wohlwollens und der Unterstützung Seiner Königliche Majestät gewiss sein!“
Mit diesen oder zumindest ähnlichen Worten dürfte →Conrad Dieterich Haßler am 28. Februar 1836 um die Zustimmung der „Actionaire“ zur Vereinigung der Ulmer Eisenbahn-Gesellschaft mit einer gleichartigen Stuttgarter Gesellschaft geworben haben. Diese Fusion bedeutete das vorläufige Ende eines ersten selbstständigen Eisenbahn-Unternehmens unter Ulmer Regie.
Die Ulmer Eisenbahn-Gesellschaft war erst kurz zuvor, im Dezember 1835, von einer Reihe finanzkräftiger und einflussreicher Bürger der Stadt gegründet worden.
Die Planung einer Eisenbahn für das Königreich Württemberg stand
schon länger im Raum zumal der Außenhandel durch den
Zusammenschluss der deutschen Länder zum Deutschen Zollverein
(1834) einen deutlichen Aufschwung erfahren hatte und neue
leistungsfähige Verkehrswege notwendig wurden.
Am 22.09.1835 sah sich der Stadtrat veranlasst in einer Resolution an
die Württembergische Regierung die Berücksichtigung Ulms beim
Bau der Eisenbahn eindrücklich zu fordern. Dabei war sich die
Bürgerschaft selbst durchaus nicht einig in dieser Frage. Die
Vertreter des lokalen Kleingewerbes und des Handwerks sahen ihren
eigenen Markt gefährdet durch billige auswärtige Waren, die dann
vermutlich das Land überfluten würden. Großkaufleute und die
langsam aufkommende Industrie witterten dagegen eine Chance, so
ihre eigenen Geschäfte voran bringen zu können.
Erst sieben Jahre später diskutierte man in der württembergischen
Ständeversammlung einen Gesetzentwurf, wonach Eisenbahnen auf
Staatskosten durch die „Königlich Württembergischen Staats
Eisenbahnen“ (K.W.St.E.) gebaut werden sollen.
Der Plan enthielt eine westöstliche Linie vom Rhein über Cannstatt
durch das Filstal nach Ulm, eine Linie zur Verbindung von
Friedrichshafen mit Ulm und eine Bahn zur Anbindung des nord-östlichen Landesteils und Heilbronns mit der Stadt Stuttgart.
Es sollte aber noch ein weiteres Jahr, bis zum 18. April 1843, dauern,
bis das württembergische Eisenbahngesetz verabschiedet werden
konnte. Hierin war nun auch endgültig die Trasse der Hauptbahn
Heilbronn – Bodensee über die Alb nach Ulm festgeschrieben. Ein
Eisenbahnanschluss schien nun greifbar nahe. Das war auch dringend
nötig, die sich gut entwickelnde Industrie verlangte schon länger nach
besseren und billigeren Transportwegen.
Im Jahr 1845 (nach anderen Quellen bereits im Sommer 1844)
erfolgte nun endlich der erste Spatenstich für die damals so genannte
Ostbahn und der ersten Teilstrecke von Cannstatt nach Unter
türkheim. Den ersten Bahnhof in Stuttgart, den man damals an der
Schlosstrasse gegenüber dem Königsbau, gebaut hatte, erreichten die
Schienen am 26. September 1846
Der 29. Juni 1850 sollte dann zum großen Festtag der Eröffnung der
Ost- und Hauptbahn zwischen Heilbronn und Ulm werden, nachdem
die weiterführenden Strecken Richtung Norden schon vorher in
Betrieb gegangen waren.
Noch heute erinnert ein Denkmal neben den Gleisen der Geislinger
Steige an die Leistungen von Michael Knoll, der als gelernter Feldmesser und späterer Oberbaurat entscheidenden Anteil an der
Realisierung dieser ersten europäischen Mittelgebirgsbahn hatte.
(anklicken zum Vergrößern)
Die Südbahn Friedrichshafen - Ulm
Eröffnung: Biberach/Riß - Ulm, 1.Juni 1850
Die Strecke Ulm - Friedrichshafen war von Anfang an ein wichtiger
Bestandteil des württembergischen Eisenbahnnetzes und sollte in
Konkurrenz stehen zur bayerischen Linie Augsburg – Lindau im
Osten und zur badischen Bahn im Westen.
Charles Vignoles, ein britischer Eisenbahningenieur der nicht nur
zum Namensgeber der heute noch verwendeten Form von Eisenbahnschienen wurde sondern auch im Auftrag der württembergischen
Regierung die Planungen zu den Hauptbahnen begutachten sollte,
schlug in diesem Zusammenhang eine Linienführung von
Schussenried über Ehingen und Blaubeuren nach Ulm vor.
Als Folge seiner Bedenken über die beabsichtigten Steigungen zur
Überquerung der Schwäbischen Alb wurden auch seine Vorschläge
zur Südbahn verworfen
1842 legte dann der österreichische Generalinspekteur Alois von
Negrelli eine Analyse zu den weiteren württembergischen Eisenbahnplänen vor, die wegen seiner befürwortenden Stellung zur
Machbarkeit einer Bahnstrecke Ulm - Bodensee in Oberschwaben
allseits positiv aufgenommen wurde.
Mit dem gleichen Gesetz vom 18. April 1843, mit dem der Bau der
Ostbahn Stuttgart - Ulm festgeschrieben wurde, ist auf Grundlage
dieser Negrelli ́schen Pläne auch der Bau der Südbahn verabschiedet
worden.
Am 8. November 1847 konnte die Eröffnung der Strecke Friedrichshafen - Ravensburg (Planung und Bau durch Ingenieur Knoll, s.o.)
gefeiert werden.
Im Mai 1849 erreichten die Gleise von Ravensburg aus kommend die
47 Kilometer entfernte Stadt Biberach. Der unter dem Ulmer
Bauinspektor Closs geplante und ebenfalls im Jahr 1847 begonnene
Abschnitt Biberach – Ulm wurde dann am 01. Juni 1850 fertig
gestellt.
Wegen eines Moores und der schwierigen geologischen Verhältnisse
am Ulmer Kuhberg sollte die Strecke vorerst nur bis Erbach führen.
Mit einer Pferdeomnibuslinie wäre es weiter nach Ulm gegangen.
Die Schwierigkeiten konnten dann aber gemeistert werden. Man fand
eine bessere Lösung, schüttete einen Teil der Donau südlich des sog.
Rutschhangs mit Kies auf, führte die Strecke über das so stabilisierte
Donauufer und ersparte sich damit einen kilometerlangen Umweg.
Die Oberbauleitung an der Südbahn hatte der Architekt Ludwig
Friedrich Gaab. Bahntechnisch konzeptioniert und durchgesetzt
wurde sie aber von Oberbaurat Carl Etzel, dem späteren Erbauer der
Bahn über den Brenner.
Noch vor dem 1. Weltkrieg wurde diese wichtige Hauptstrecke zwei
gleisig ausgebaut, im Gegensatz zur Linie Stuttgart – Ulm –
München aber erst Ende 2021 elektrifiziert.
Die Maximilians-Bahn München - Ulm / Wilhelm-Maximilan-Brücke Neu-Ulm - Ulm
Nach dem Bau der ersten deutschen Eisenbahn zwischen Nürnberg
und Fürth, 1835, gründeten sich, wie in Württemberg und in vielen
anderen deutschen Ländern auch, in Bayern örtliche Eisenbahnkomitees zum Bau ähnlicher Strecken. So auch jeweils in Augsburg
und München. Diese beiden Gruppen vereinigten sich 1837 zur
München-Augsburger Eisenbahn-Gesellschaft und beauftragten den
Ingenieur Paul Denis mit dem Bau einer Verbindung beider Städte.
Die Konzession dafür hatte sie noch im Gründungsjahr erhalten.
Die Eröffnung der Teilstrecke München – Augsburg der sog. bayerischen
Ludwigs-Süd-Nord-Bahn fand am 4. Okt. 1840 statt.
Eine Verlängerung der Richtung Salzburg geplanten Süd-Ost-Bahn
(1860 fertiggestellt) nach Ulm und die Herstellung einer unmittelbaren Verbindung zwischen den beiden Staatseisenbahnen der Länder Bayern und Württemberg regelte ein Staatsvertrag mit Datum
vom 24. April 1850.
Württemberg verpflichtete sich drin in Ulm auf eigene Kosten Räume
und Betriebsanlagen, den sog. Bayerischen Bahnhof, für den
ausschließlichen Gebrauch durch die für diese Strecke zuständigen
„Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen“ (K.Bay.Sts.B.) zu bauen
und bereit zu stellen.
Hintergrund für dieses Zugeständnis war die Tatsache, dass die
Württembergische Bahnverwaltung ein großes Interesse an einer
Anbindung an das bayerische Netz hatte. Erwartete man sich doch
dadurch eine erhebliche Verkehrszunahme auf der Ostbahn von
Stuttgart nach Ulm.
Die Münchner Bahnverwaltung hingegen konnte für den wichtigen
Verkehr nach Frankreich und dem Saargebiet auf alternative Strecken
z.B. über Würzburg zurück greifen.
Die erste in Ulm sichtbare Etappe dieser Hauptbahn war der Bau
einer Donaubrücke, die im Februar 1852 begonnen und nach den
gerade herrschenden Potentaten benannt wurde. Unter dem Namen
Wilhelm-Maximilan-Brücke kannte sie jedoch kaum jemand. Für die
Ulmer war sie immer nur „d' Oisebahbrück“.
Noch bevor diese Donau-Querung fertig gestellt war konnte man sich
am 26. September 1853 in Neu-Ulm freuen über die Eröffnung der
Teilstrecken Dinkelscherben - Augsburg und Neu-Ulm - Burgau.
Lediglich in Ulm wurde diese Freude vorläufig von der Tatsache
getrübt, dass die Passagiere mangels einer durchgehenden
Verbindung mit Pferdekutschen von Neu-Ulm aus zum Ulmer
Bahnhof transportiert werden mussten, denn die Wilhelm-Maximilan-Brücke war immernoch nicht fertig.
Aber dieser Zustand sollte nicht all zu lange anhalten. Zum 1.Mai
1854, mit Fertigstellung der Brücke, war dann auch die als
Maximiliansbahn bezeichnete Linie Ulm – München durchgehend
befahrbar. Bayerische Lokomotiven fuhren ab dem Tag regelmäßig
in den Ulmer Bahnhof und übernahmen dort Güter und
Personenzüge nach Süden und Südosten bis Italien und den Balkan.
Wilhelm-Maximilan-Brücke
Der schnell zunehmende Verkehr machte bald einen zweigleisigen
Ausbau notwendig, der im Jahr 1892 abgeschlossen werden konnte.
Die Illertalbahn Kempten - Ulm
Eröffnung: Memmingen - Ulm, 11.Oktober 1862
Etwa zur gleichen Zeit als in Württemberg die gesetzlichen
Grundlagen für den Bau einer Eisenbahn geschaffen wurden, also im
Jahre 1843, regten sich ähnliche Wünsche auch im bayerischen
Schwabenland.
Kempten forderte den Bau einer Eisenbahn über Memmingen und
Illertissen nach Ulm. Sie sollte entlang einer viel befahrenen
Landstraße führen, die schon im Mittelalter den Verkehr von Italien
an den Rhein geleitet hatte. Bei der bayerischen Regierung stieß diese
Initiative jedoch lange Zeit auf wenig Gegenliebe. Erst 17 Jahre
später, 1860, gelingt es der Stadt Memmingen mit einem Plan zum
Bau einer Illertalbahn Gehör bei den hohen Herren in München zu
finden.
Am 18. September 1861 wurde der Stadt dann die Konzession hierfür
erteilt.
Der Staat Bayern verpflichtete sich darin die Strecke nach deren
Fertigstellung zu pachten und den Betrieb durch die Königlich
Bayerischen Staatseisenbahnen sicher zu stellen.
Am 11. Oktober 1862 konnte mit einem großen Fest in Memmingen
die Bahn von Ulm über NeuUlm und Illertissen eingeweiht werden.
Die Weiterführung bis Kempten wurde am 1. Juni 1863 fertig
gestellt.
Die Donautalbahn Sigmaringen - Ulm
Eröffnung: Blaubeuren - Ulm, 2. August 1868
Der abgelehnte Vorschlag Vignoles, die Südbahn über Schussenried
zur Donau nach Ehingen zu führen, fand jedoch die Unterstützung
des Baudirektors der Bundesfestung Ulm, des Oberleutnant Moritz v.
Prittwitz.
In einem 1845 erstellten Gutachten hebt er hervor,
„dass die gedachte Linie in commercieller und
strategischer Beziehung von besonderer Wichtigkeit
erscheine, weil im Allgemeinen eine Eisenbahn in der
Richtung des Donauthales gegen Schaffhausen und Basel
hin, künftig wahrscheinlich die kürzeste und südlichste
Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen von
Europa bilden werde.“
Die Idee einer Donautalbahn arbeitet er detailliert in seinem 1849
erschienenen „Vorläufigen Entwurf einer Eisenbahn zwischen Ulm
und Basel“ aus. Seine Strecke führt dabei jedoch von Söflingen,
Ehrenstein, Klingenstein und Blaubeuren, wie heute auch, über
Schelklingen, Groß- und Klein-Allmendingen bis Ehingen.
Von dort geht er wegen der vielen Krümmungen im Donautal nicht
über Munderkingen und Marchtal sondern macht einen Bogen über
Unterstadion, Sauggart und Uttenweiler um Riedlingen zu erreichen.
Prittwitz tritt entschieden dafür ein, diese Bahn durch eine
Privatgesellschaft bauen zu lassen weil seiner Meinung nach
„die Staatsregierungen fast überall die Eisenbahnen
unverhältnißmäßig theuer bauen ...“ und
„ ...bei Bahnen, die mehrere Staaten durchschneiden, die
Leitung des Baus unter der Administration einer einzigen
Privatgesellschaft überhaupt viel einfacher ist.“
Der Bedarf für solch eine Bahn in Richtung Schweiz wird zwar
allgemein anerkannt, die Fertigstellung anderer, bereits begonnener Strecken
hat aber Vorrang.
Erst das 2. Eisenbahngesetz von 1858 sah dann neben der Brenzbahn
auch eine Verbindung in den Schwarzwald und in die Schweiz vor.
Bei der Realisierung neuer Bahnen werden aber doch wieder andere
Linien bevorzugt, was die Eisenbahn-Comites der Städte und
Gemeinden zwischen Ulm und Tuttlingen 1861 zu einer deutlich
formulierten Denkschrift über „Die Erbauung einer Eisenbahn von
Ulm gegen Schaffhausen und den oberen Schwarzwald auf
Staatskosten, eventuell durch Privatmittel“ veranlasst.
Eines der Mitglieder des Eisenbahnvereins in Blaubeuren ist
Ferdinand von Steinbeis, zu der Zeit Blaubeurer Landtagsabgeordneter und Präsident der Vorgängerorganisation des heutigen
Landesgewerbeamtes.
In dieser Denkschrift wird die Notwendigkeit der Bahnlinien Ulm –
Freiburg – Chaumont ([sic] womit Colmar gemeint sein dürfte) und
Ulm – Meßkirch – Stockach mit Anschluss an die Strecke
Schaffhausen – Basel eindringlich beschrieben.
An letztgenannter Trasse wären drei Staaten beteiligt. Neben
Württemberg waren das Baden und Preußen, die natürlich jeweils
eigene Interessen in Sachen Eisenbahnbau verfolgen. Das Herzogtum Baden sah seinen eigenen Verkehrsschwerpunkt im
Schwarzwald und begann bereits 1863 mit dem Bau der Bahn von
Offenburg nach Singen. Das preußische Hohenzollern dagegen war selbst zu klein für eine
eigene Eisenbahnverwaltung, interessierte sich aber sehr für dieses
Verkehrsmittel. Später versuchte auch das preußische Militär ein
gewichtiges Wort bei der Streckenplanung mit zu reden, war doch die
Eisenbahn im Südwesten entscheidend für die Nachschubsicherung
bei den Kriegen gegen den Erzfeind Frankreich.
Alles zusammen führte dann dazu, dass die Bahn durch das Donautal
von mehreren Seiten aus gleichzeitig in Angriff genommen wurde.
Begonnen wurde mit dem Teilstück Ulm – Blaubeuren, das am 2.
August 1868 in Betrieb ging. Es dauerte jedoch weitere drei Jahre bis
man 1873 endlich Sigmaringen erreicht hat.
Die Streckenführung der Donautalbahn in der Ulmer Gegend war
immer wieder umstritten. Sie sollte nach ersten Ausführungsplänen
(1865) über Erbach nach Ehingen führen. Für eine eigene Linie Ulm - Blaubeuren war nur die Weiterführung über die Alb nach Münsingen
vorgesehen
Per Gesetz vom 13. August 1865 wurde schließlich dann doch die
Prittwitz'sche Trassierung über Schelklingen und Allmendingen
beschlossen.
Selbst alt eingesessenen Ulmern mag manchmal die Tatsache
verwirrend erscheinen, dass diese Strecke zwar Donautalbahn heißt,
auf Ulmer Gemarkung aber nicht durch das Donau sondern durch
das Blautal führt. Die namensgebende Donau wird schließlich erst bei
Ehingen erreicht. Dagegen verlässt die durch das Ulmer Donautal führende Südbahn
den Fluß schon bei Erbach wieder in Richtung Süden
Entlang der Donau verläuft also die Südbahn und entlang der Blau
die Donautalbahn.
Die Brenzbahn Aalen - Ulm
Eröffnung: Langenau - Ulm, 5. Januar 1876
Sehr zeitig, schon im Jahr 1836, beteiligen sich die Stadt Heidenheim
und einzelne wohlhabende Brenztäler Bürger an einer Eisenbahngesellschaft mit dem Ziel, dieses neue Verkehrsmittel in ihre Region
zu bekommen. In der Gegend hatten sich viele Gewerbebetriebe
angesiedelt die langsam zu frühindustriellen Betrieben heran
wuchsen und auf bessere Frachtverbindungen angewiesen waren.
Die angedachte Hauptstrecke Cannstatt – Aalen – Heidenheim –
Sontheim – Donau stieß jedoch auf den heftigsten Widerstand der
Stadt Ulm die befürchtete in diesem Fall als zweitbedeutendste
Gemeinde des Landes nur über eine Nebenstrecke an das
überregionale Bahnnetz angeschlossen zu werden.
Nach der heftigst umstrittenen Einscheidung für die Filstaltrasse als
Hauptbahn, die im Eisenbahngesetz vom 18. April 1843 ihren
Niederschlag fand, rückte die Bahnfrage in Ostwürttemberg erst
einmal in den Hintergrund, bekam dann aber mit dem „Gesetz
betreffend die weitere Ausdehnung des Eisenbahnnetzes“ vom 17.
November 1858 neuen Auftrieb.
In dessen Artikel 2 wird der Bau einer Bahn von Crailsheim über das
Jagst-, Kocher- und Brenztal zur Ostbahn festgelegt. Allerdings ist
darin nicht näher bestimmt zu welchem Zeitpunkt und auf welche Art
und Weise der Anschluss an die Ostbahn erfolgen soll.
Kurios und von eisenbahngeschichtlicher Bedeutung ist in dem
Zusammenhang die so genannte Brenzbahnklausel. Diese war
Bestandteil eines Staatsvertrags vom 21. Februar 1861 zwischen den
Königreichen Bayern und Württemberg über die Fortsetzung der
Remstalbahn Stuttgart – Wasseralfingen bis zur Landesgrenze bei
Nördlingen und den dortigen Anschluss an das bayerische Netz.
Württemberg musste sich als Gegenleistung für den Betrieb diese
Linie der Bedingung unterwerfen, ab dem Tag der Eröffnung der
Cannstatt – Nördlinger Bahn über einen Zeitraum von zwölf Jahren
keine Schienenverbindung zwischen dieser und der Ostbahn
Cannstatt – Ulm herzustellen. Der Grund lag darin, dass die Verbindung von Nördlingen zum Bodensee über diese verlängerte Brenzbahn auf württembergischer Seite (bis Friedrichshafen) kürzer
gewesen wäre als die bayerische Strecke bis Lindau und somit der
Kgl. Bayerischen Staatsbahn Einnahmeverluste entstanden wären.
Unabhängig von der Brenztalklausel konnte mit einem Gesetz vom
10. Januar 1862 die Grundlage für den Bahnbau von Heidenheim aus
nach Norden geschaffen werden. Am 15. September 1864 ging der Abschnitt Heidenheim - Aalen in Betrieb.
Bemühungen, im Rahmen eines Abkommens über den Bau einer
Bahnstrecke von Crailsheim nach Nürnberg die zwölfjährige Sperrfrist der Brenztalklausel zu verkürzen, blieben weiter erfolglos.
Erst durch einen Staatsvertrag vom 16. März 1872 wurde dann der
Bau mit einem Korridor über bayerisches Gebiet gestattet. Diese
Entscheidung löste in der Württembergischen Bahnverwaltung große
Freude aus, verringerten sich doch die Baukosten durch die damit
mögliche kürzere Trasse erheblich.
Eröffnet wurde die durchgehende Bahn von Aalen bis Ulm am 5.
Januar 1876, nachdem auch die letzten technischen Schwierigkeiten
bei der Durchleitung der Gleise durch die Anlagen der Ulmer
Bundesfestung gemeistert werden konnten.
Die Schnellfahrstrecke Wendlingen - Ulm
Eröffnung: Wendlingen - Ulm, 9.Dezember 2022
Die sog. "Magistrale für Europa", eine Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Paris und Budapest/Bratislava, die über etwa 1500 km Ost- und Westeuropa miteinander verbinden soll, weist mit der Filstalbahn durch den dich besiedelten Streckenabschnitt Esslingen - Göppingen und mit der Geislinger Steige, die nur mit maximal 70 km/h befahren werden kann, zwei kritische Engpässe auf. Der Verkehrswissenschaftler Prof. Gerhard Heimerl legte 1988 eine Denkschrift zu einer autobahnnah trassierte Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm vor, mit der dieses Manko behoben werden konnte. Aus politischen Gründen wurde die Neutrassierung mit dem Umbau des bestehenden Stuttgarter Hauptbahnhofs zu einem Durchgangsbahnhof und einer städtebaulichen Nutzung des dabei freiwerdenden Bahngeländes zum Projekt "Stuttgart 21" verknüpft.
Die Umsetzung des Projektes wurde im Oktober 2006 im baden-württembergischen Landtag beschlossen. Dem gingen heftigste Proteste und Demonstrationen voraus, die sich jedoch hauptsächlich auf den Bahnhofsneubau und die dadurch notwendigen Umbauten der Zuführungsstrecken bezogen. Die Sinnhaftigkeit der Neubaustrecke über die Schwäbische Alb wurde dagegen kaum angezweifelt.
Am 2. Februar 2010 erfolgte der symbolische Spatenstich für das Gesamtprojekt. Mit den vorbereitende Bauarbeiten für die Schnellfahrtrasse nach Ulm wurde im Herbst des gleichen Jahres begonnen. Der Streckenabschnitt Wendlingen - Ulm konnte am 9.Dezember 2022 mit einer Sonderfahrt feierlich eröffnet werden. Zwei Tage später startete der Planverkehr mit der Verlegung der meisten ICE-Verbindungen von der Ostbahn über Geislingen auf die Schnellfahrstrecke mit dem neuen Regionalverkehrs-Halt Merklingen/Schwäbische Alb.
Für die Fertigstellung des Abschnittes Wendlingen - Stuttgart und des Gesamtprojektes Stuttgart 21 gibt es weiterhin nur Absichtsbekundungen. Zeit- und Kostenplanungen haben inzwischen mehrfach die gesetzen Rahmen gesprengt.