Etwas später als in anderen Regionen des damaligen Deutschen Reichs setzten sich in Ulm industrielle Betriebs- und Arbeitsformen durch. Bis zum Ende des 19.Jahrhunderts bildeten sich hier dann aber doch Schwerpunkte der Metallverarbeitung, der chemischen sowie der Zementindustrie aus, die auch im nationalen Vergleich bedeutsam waren und heute noch die Stadt und die Region prägen.
Im Gegensatz zu anderen Industriestandorten, die sich ihrer Wurzeln bewusst sind und die ihr industrie-kulturelles Erbe für die Bevölkerung erhalten und zugänglich machen, scheint sich die Stadt Ulm für diesen Teil ihrer Vergangenheit zu schämen. Man schwelgt im selbst ernanntem Status als Innovationsregion und der Aussicht auf eine goldene Zukunft als Wissenschaftsstandort.
Die Geschichstschreibung für die Zeit nach dem Ende als Freie Reichsstadt beschränkt sich auf einzelne Episonden, Phasen und Biographien (Berblinger, Einstein, NS-Vergangenheit, HfG usw.). Ein eigenständiges Technik- oder Industriemuseum für die Region oder auch nur eine dem Themenumfang angemessene Abteilung im Museum der Stadt Ulm gibt es nicht und wird es auf absehbare Zeit wohl nicht geben.
Zwar hätte die Stadt die Möglichkeit, auch ohne größere Ausgaben ihren Besuchern und Bewohnern viel über ihre Entwicklung als überregional bedeutsamer Industriestandort näher zu bringen. Aber wo anderenorts Geschichtspfade über ganze Branchen informieren oder auch nur Schautafeln auf wichtige Betriebe oder Produktionsstätte hinweisen, bleibt in Ulm z.B. das umfängliche Brauereiwesen, die Wandlung der Mühlen an der Blau zu Fabriken und Kaufhäusern oder der einstige Standort des Hafens, an dem die Ulmer Donau-Dampfschiffahrt nach Österreich ihren Ausgangspunkt hätte nehmen sollen, im Dunklen.
Dort, wo nicht schon historische Fabrikgebäude gedankenlos abgerissen und reich geschmückte Unternehmer-Villen stillschweigend durch moderne Glas-Betonbauten ersetzt wurden, weist nichts darauf hin, dass hier einst beliebte Radio- und Fernsehapparate für Jedermann hergestellt, wohlklingende Musikinstrumente für die ganze Welt produziert oder die Landwirtschaft durch neuartige Pflüge revolutioniert wurde.
Die Geschichte dieser untergegangenen Betriebe zu bewahren, aufzuarbeiten und zugänglich zu machen bleibt vorläufig einzelnen Interessierten überlassen.
Selbst die Erinnerung an die Unternehmen, die die Stadtgesellschaft am stärksten und bis heute nachhaltig prägten, überlässt man lieber den internationalen Konzernen, zu denen sie inzwischen gehören. In deren globalen Auftreten können aber lokale Entwicklungen selten ausreichend gewürdigt werden. So hat die Firma EvoBus (inzwischen Daimler Buses) in Neu-Ulm kaum noch einen Bezug zum ehemaligen Kässbohrer Werk, von dem nicht mehr viele Ulmer wissen, wo es einst stand. Und obwohl der Name Magirus noch allgegenwärtig erscheint, bleibt ein kleines Firmenmuseum auf die verzweifelte Initiative von einzelnen Enthusiasten angewiesen.
Nur sehr wenige heute noch aktive Unternehmen aus der Region leisten sich, wie die Wieland-Werke, ein eigenes Firmenarchiv und stehen auch in der Öffentlichkeit für ihre lange, nicht immer ganz fleckenlose Tradition ein. Andere bewahren zwar die wichtigsten Eckpfeiler ihres firmengeschichtlichen Erbes, keiner scheint jedoch bereit, sich an einem die gesamte Industriegeschichte der Stadt umfassenden Projekt beteiligen zu wollen.
Es ist und bleibt daher Aufgabe der Bürgerschaft und von Vereinen, die Leistungen sowohl der namhaften Industriepioniere als auch der weniger bekannten Persönlichkeiten wie Walter Voss, Ernst Mästling oder Georg Ott zu würdigen, deren Angedenken zu wahren und den Einfluß ihrer Arbeit auf die heutige Gesellschaft zu bewerten.