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Beringer Brücke



Geschichte


Da Ulm Festungsstadt war durften zur Hauptzeit des Bahnbaus Mitte des 19.Jahrhunderts ausserhalb der Stadtbefestigung nur sehr eingeschränkt Bahnanlagen errichtet werden.
Die gegen Ende des Jahrhunderts gelockerten Rayonbestimmungen erlaubten es dann aber der Stadt, vom Reich das zur Umwallung gehörende Gelände zu kaufen um dort neue Gewerbe- und Wohngebiete entstehen zu lassen.
Auch die Reichsbahn nutzte diese Gelegenheit um im Blautal westlich von Ulm einen schon lange dringend notwendigen Rangier- und Güterbahnhof zu errichten. Ab 1903 wurden dazu die Bahnanlagen in großem Umfang umgebaut, u.a musste dazu auch der Söflinger Bahnhof von der Südseite der Strecke Ulm-Sigmaringen auf die Nordseite an den Hang des Eselsberg verlegt werden.
Der neue Rangierbahnhof trennte somit die Söflinger nicht nur von ihrem eigenen Bahnhof sondern auch vom direkten Zugang zu ihren Gärten und Weinbergen im Norden.
Um diesem Mangel abzuhelfen bauten die damals noch zuständigen Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen im Osten und Westen des Rangierbahnhofs je eine Brücke, die Lupfer- bzw. die Wallstraßenbrücke.
Der Zugang für das dazwischen liegende Gebiet am sog. Bleicher Haag sollte über ein schienengleichen Bahnübergang erfolgen.
Wegen des starken Bahnverkehrs war dieser jedoch die meiste Zeit geschlossen so dass sich nach vielfältigen Protesten der Söflinger die Bahnverwaltung bald genötigt sah, den Bahnübergang durch eine Brücke zu ersetzen.

Die Einweihung des Bauwerks im Jahre 1907 erfolgte ohne größere Feierlichkeiten. Ebenso die Wiederinbetriebnahme ca. 1959/60 als Schlußpunkt von umfangreichen Reparaturarbeiten, die wegen Schäden aus mehreren Luftangriff am Ende des 2.WK (1944) notwendig geworden waren.

Die Brücke ist 295,3 Meter lang und besteht aus vier hintereinander liegenden Fachwerkbrücken mit Stützweiten von 32,8 m bis 48,51 m.
Auf der Westseite ist ein separater Fuß- und Radweg angehängt. An der östlichen Seite des Bauwerkes verlaufen Leitungen der Fernwärme Ulm GmbH (FUG).
An den Bauwerksenden sind massive Betonwiderlager und Granitsockel angeordnet. Die Trennpfeiler zwischen den einzelnen Überbauten sind massive Betondoppelpfeiler mit Stahlbetonquerriegeln.
Die Tragfähigkeit war 1907 für eine Dampfwalze mit 16 t zulässigem Gesamtgewicht bemessen.

[Besitz-Übergang von DB an Stadt nachtragen]

In einer Beschlußvorlage für den Gemeinderat zur Genehmigung eines Sanierungskonzeptes [1] wurde 2011 festgestellt, dass die Brücke zwar stark sanierungsbedürftig ist, wegen ihrer verkehrlichen Bedeutung und zur Erhaltung der Nahbeziehungen zwischen den Stadtteilen wird jedoch eine Sanierung empfohlen.
Dafür wurden 3 Alternativen untersucht:
   - Abbruch der Brücke vor 2012 und Neubau nach 2019
   - Sanierung vor 2014 mit dem Ziel die Lebensdauer der Brücke um 30 Jahre zu verlängern
   - Kleine“ Sanierung vor 2014 mit einer Verlängerung der Lebensdauer um 10 Jahre

Die Zeitrahmen ergaben sich aus der Prämisse, dass sich die Baumaßnahmen an der Beringer Brücke nicht mit dem Neubau der FIBA (Fahrzeuginstandsetzungsanlage) und der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm überschneiden sollen. "Nach Auskunft der Deutschen Bahn AG besteht die Baustelle Neubaustrecke von 2014-2019."

In der Sitzung am 13.07.2011 wurde die "Kleine“ Sanierung für 1,94 Mio. Euro beschlossen.

Schon im Sommer 2012 musste dann die Brücke im Rahmen einer Hauptprüfung in die Brückenklasse 3/3 zurückgestuft und die zulässige Nutzlast auf 2,8 t begrenzt werden.
Bei einer Bauwerksprüfung 2015 wurde letztendlich festgestellt, dass das Ziel, die Brücke bis 2020 für den Verkehr aufrecht zu erhalten, infolge des Zustandes ohne erhebliche Investitionen nicht mehr gewährleistet werden kann. [2]

Um das stark geschädigte Bauwerk zu schonen versuchte man sich an einer Parkverbotszone auf der Brücke, in der nur abwechselnd auf beiden Seiten Längsparkstreifen geparkt werden durfte. Es folgte eine Begrenzung der Fahrzeughöhe, zuerst auf 3,00 m, dann auf 2,20 m und eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h.

In den diversen Beschlußvorlagen für den Gemeinderat werden zwar immer auch die Ergebnisse von Rad- und Fußgängerzählungen genannt, ein dauerhafter Erhalt als reine Rad- und Füßgängerbrücke scheint aber nie ernsthaft zur Diskussion gestanden zu haben. Vielmehr wurde am 13.6.2016 beschlossen, die Brücke nach "gezielter Alterung" stillzulegen und nur noch Verkehrssicherungsmaßnahmen, aber keine weitergehenden Instandhaltungsmaßnahmen mehr durchzuführen.
Eine Instandsetzung hätte mit Stand 2018 zwischen 18,3 Mio. und 29,7 Mio. Euro gekostet.
In Anbetracht dieser Summen, einer angenommenen kurzen Restlebigkeit der Brücke und einer durch die Renovierung deutlich reduzierten denkmalpflegerischen Wertigkeit wollte das Landesamts für Denkmalpflege nicht weiter auf dem Status eines Kulturdenkmals bestehen. Damit kam auch ein Erhalt als Fußgängerbrücke nicht mehr in Frage. [3]

2019 wurde dann der Zustand der Brücke "überraschend" so schlecht, dass auch der verbliebene Fußweg gesperrt werden musste.
Es wurde ein Rückbaukonzept mittles mehrerer Portalkrane entwickelt für das man 6,415 Mio. Euro Kosten veranschlagte. Darin nicht eingerechnet sind die Kosten für die Verlegung der FUG-Dampfleitung. Diese bekommt 30 Meter weiter östlich einen Behelfsträger über die Bahn, dessen Lebensdauer auf 10-20 Jahre ausgelegt ist. Da die notwenige Barrierefreiheit nicht hergestellt werden kann schied eine Kombination von Leitungsbrücke und Fußgängerbrücke aus.

Der Beschluß des Gemeinderats zum Abriss der Brücke erfolgte am 01.10.2019. [4]

Die Ausschreibung der Abrissarbeiten zeigte jedoch, dass die Angebote der einzigen beiden in Frage kommenden Bieter um das Doppelte über den geplanten Kosten lagen. Die Ausschreibung wurde daher aufgehoben und der Rückbau auf ein konventionelles Verfahren umgeplant. Aber auch dieses erfordert wegen der bahntechnischen Besonderheiten einen wesentlich höheren finanziellen Aufwand, so daß inzwischen mit einem Kostenrahmen von 10,84 Mio. Euro gerechnet wird.

Mit den Abbrucharbeiten soll im Februar 2021 begonnen werden. Der Abbruch des letzten Feldes, des Brückenteils im Kreuzungsbereich zur Einfahrt der Fahrzeuginstandsetzung, erfolgt im Oktober 2021. [5]
[1]: Ratsinformationssystem der Stadt Ulm → Beringer Brücke - Genehmigung des Sanierungskonzeptes und Auftrag zur weiteren Planung - TOP 9 (Ö) aus Sitzung 13.07.2011 Gemeinderat
[2]: Ratsinformationssystem der Stadt Ulm → Zustand der Beringer Brücke - Bericht - TOP 7 (Ö) aus Sitzung 10.05.2016 Fachbereichsausschuss Stadtentwicklung, Bau und Umwelt
[3]: Ratsinformationssystem der Stadt Ulm → Beringer Brücke - Bericht über Schadensgutachten und Umgang mit Denkmalwürdigkeit - TOP 10 (Ö) aus Sitzung 11.12.2018 Fachbereichsausschuss Stadtentwicklung, Bau und Umwelt
[4]: Ratsinformationssystem der Stadt Ulm → Beringerbrücke - Bericht zum Zustand - Projekt- und Abbruchbeschluss - TOP 4 (Ö) aus Sitzung 01.10.2019 Fachbereichsausschuss Stadtentwicklung, Bau und Umwelt
[4]: Ratsinformationssystem der Stadt Ulm → Beringerbrücke - 1. Kostenfortschreibung - TOP 8 (Ö) aus Sitzung 14.07.2020 Fachbereichsausschuss Stadtentwicklung, Bau und Umwelt



Impressionen aus besseren Tagen

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alle Fotos: © M.Pötzl



Abbruch