Der Kalkstein der Schwäbischen Alb wird zumeist in Form von Kalkmergel entweder als Schotter im Straßen- und Wegebau oder als Zement-Rohstoff verwendet. Darüber hinaus findet er aber in vielfältiger anderer Weise Verwendung, die jedoch angesichts des großen Zementwerke im Blautal schnell in den Hintergrund tritt.
Es gibt entlang des Vorkommens des schwäbischen Jura-Kalks Vorkommen mit einem besonders hohen und gleichmäßigen Anteil an Calciumkarbonat. Dieser hochreine Kalkstein hat für die Industrie wichtige chemische Eigenschaften und ist oft von reinweißer Farbe. Dieser sog. Weißkalk zählt zu den Industriemineralien und wird nicht nur in der Baustoffindustrie zu Herstellung von Kalkfarbe für schimmelgefährdete Bereiche und zum Weißen von Tierställen, für Edelputze und als Zuschlagstoff bei der Kunststeinproduktion sowie in der Trinkwasseraufbereitung und der Rauchgasentschwefelung verwendet sondern dient, besonders fein gemahlen, in der Forst- und Landwirtschaft als Dünger um säurebelastete Böden zu verbessern und im Obstanbau als Schutzanstrich auf der Rinde von Stämmen. Hochreiner Kalk geht auch als Farbpigment und Füllstoff in die Glas- und die Papierindustrie.
Eine Besonderheit stellt die Kreideschlämmerei dar, die noch bis in die Anfänge des 20.Jh in der Gegend nordöstlich von Ehingen betrieben wurde. Den dort abgebauten Süßwasserkalk ließ man verwittern, schlämmte ihn auf, trocknete und presste die so gewonnene Kalkmasse wieder und verkaufte das Produkt als Billard- und Schreibkreide2. Die Kreidevorkommen zwischen Grimmelfingen und Ersingen wurden dagegen kaum ausgebeutet3.
Bei Marmor denkt man zuerst an das toskanische Carrara. Dieses dekorative Gestein findet man aber auch im Blautal zwischen Obermarchtal und Schelklingen2. In der Oberamtsbeschreibung Ulm von 1897 (Bd.2, S. 543) wird berichtet, dass früher bei Luizhausen ebenfalls schöner Marmor gebrochen wurde. Die in Ulm ansässigen Marmorwerke dürften dagegen den Großteil des in vielen Farbvariationen erhältlichen Werkstoffs importiert haben. Die Ausstattung einiger gründerzeitlicher Häuser zeugt heute noch von der Beliebtheit und den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dieses Kalksteins.
Neben dem Marmor machten sich die Ulmer schon im frühen Mittelalter auch andere, oftmals offenliegende Vorkommen von feinkörnigem homogenen Kalkstein im Blautal als Baumaterial zunutze. In Ergänzung zu den Ziegelsteinen aus den umliegenden Ziegeleien wurden u.a. für das Rathaus, das Zeughaus und die Wengenkirche Kalksteinquader zu Werksteinen verarbeitet. Werksteine sind massive Steine, die in ihrer natürlichen Form von Steinmetzen bearbeitet und oft künstlerisch ausgestaltet werden.
Naturwerksteine sind heute besonders in der Gartengestaltung beliebt, das Gestein dafür kommt heute allerdings nur noch aus dem Vorland der Schwäbischen Alb, meist jedoch aus dem Ausland.
Unter
Kunststein versteht man mineralisch- bzw. zementgebundene Werkstoffe mit Kies, Sand oder Gesteinsmehl als Zuschlagstoff. Kunststein war wie Zement schon den Römern bekannt, ist aber weitgehend wieder in Vergessenheit geraten. Eine der ersten neuzeitlichen Kunststeine stellte
als Bodenbelag für das Ulmer Münsters her.
In Verbindung mit der Zementindustrie im Blautal galt Ulm bis Mitte des 20. Jahrhunderts als Zentrum der deutschen Kunststeinherstellung.
Die Firma
, zu der Zeit geleitet vom Sohn des Firmengründers, begann als eine der ersten in der Region 1876 mit der Herstellung von dekorativen Zementwaren und Betonfertigteilprodukten. Viele weitere, teils nur kleinere Hersteller, folgten.
Einer der ältesten Kunststein-Arten ist Terrazzo. Ein Material, das als strapazierfähiger und schmückender Bodenbelag, für Stufen im Wohnungsbau und noch bis in die 1960er Jahre als Spülbecken in der Küche zum Einsatz kam. Beim Terrazzo werden farbige Zuschlagstoffe (Steinmehle, Sande, Kies usw.) mit Kalk oder Zement vermengt, auf einen Unterboden aufgetragen, geschliffen und poliert.
Im Gegensatz zum bis Mitte des 20. Jahrhunderts üblichen vor Ort hergestellten Guss-Terrazzo, der eine fugenlose Oberfläche ermöglicht, verwendet man heute für Terrazzo-Böden fast ausschließlich industriell hergestellte Formplatten.
Die im Blautal ansässigen Kunststein-Hersteller schlossen sich 1908 zur "Deutschen Terrazzo-Verkaufsstelle GmbH" mit Sitz in der Ulmer Schillerstraße 35 zusammen. Mit diesem Verkaufs-Kartell wurde ein zeitwiese ruinöser Preiskampf beigelegt.
Terrazzo-Boden mit Mosaik-Einlagen im Haus des Fabrikbesitzers →Georg Ott
Betonstein-Skulptur im Werkgelände der Fa. Schwenk
Neue Gestaltungsmöglichkeiten am Bau ergeben sich zudem durch eine steinbildhauerische Bearbeitung von Kunststein. Aus gegossenen, sandgestrahlten, bossierten oder zusätzlich oberflächenbeschichteten Betonwerksteinen können dekorative Fassadenelemente, Reliefs und Skulpturen hergestellt werden.
Maurermeister experimentierten schon früh in der Geschichte der Zementindustrie mit der Herstellung von Figurenschmuck nach ähnlichen Verfahren, wie sie aus dem Stuckateurhandwerk bekannt waren. Das Gußverfahren und die Mauertechnik, bei der einzelne Ziegelsteine, die die Grundform bilden, mit Zementputz verfüllt und überzogen werden, wurden jedoch bald abgelöst durch den Stampfbeton. Dieser ist besonders widerstandsfähig gegen atmosphärische Einwirkungen und widersteht daher gut dem chemischen Einflüssen durch die Umwelt.
Sehr viele Zierelemente an Ulmer Wohnhäusern des späten 19. und frühen 20.Jahrhunderts, die wie schöne Steinmetz-arbeiten aussehen, stammen aus frühindustrieller Kunststein-Produktion. Aber auch bei der Gestaltung von Profanbauten wie der Bundesfestung und bei unscheinbaren Massenprodukten wie Bodenplatten und Dachsteinen setzte sich Kunststein durch. Die anfangs noch von Hand betriebenen Trogmischmaschinen und Schlagtische zum Einklopfen des Betons in die Form wurden zunehmend von Exzenterrüttelwerken und transmissions-getriebene Hydraulik-pressen abgelöst.
Für das aufblühende Kleinbürgertum am Wechsel zum 20. Jh. waren die günstig herzustellenden Zementwaren ein willkom-menes Mittel, um mit der Baudynamik, die sich aus dem Bevölkerungsanstieg ergab, und den großbürgerlichen Streben nach Repräsentation Schritt zu halten.
alte Dachsteine aus Romanzement
Um 1867 griff der französische Gärtner Joseph Monier eine vorher schon bekannte Idee wieder auf und verstärkte die von ihm aus Zement hergestellen Pflanzkübel mit Drähten um so ein Auseinanderplatzen zu verhindern. Der damit begründete Eisenbetonbau konnte sich anfangs aber nur schwer durchsetzen. Die Kombination aus Schmiedeeisen und Stampfbeton war problematisch und erforderte sehr hohe Sorgfalt und Fachkenntniss. Bis zur Jahrhundertwende wurden deshalb Bauwerke wie die Munderkinger Donaubrücke (gebaut 1893), damals die größte Betonbogenbrücke weltweit, unbewehrt aus Stampfbeton gebaut. Bei den aus Guss- und Stampfbeton errichteten Bahnwärterhäusern an der Donautalbahn und der württembergischen Allgäu-Bahn (gebaut um 1870) experimentierte man noch zum richtigen Mischungsverhältnis von bekanntem Roman- und neuem Portland-Zement im Hochbau.
Bahnwärterhäuser aus Beton bei
Schelklingen und Riedlingen
Der aus Biberach (Riß) stammende Josef v. Schlierholz, Oberbaudirektor bei den Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen, suchte nach Wegen um die hohen Baukosten für Bahndienstgebäude zu senken. Die vielen neu errichteten Strecken brauchten nicht nur Bahnhöfe und Halt-Stationen, alle paar Kilometer und an allen größeren Wegekreuzungen mussten auch Wärterhäuschen errichtet werden, die den oft vielköpfigen Bahnwärter-Familien eine erträgliche Heimat bieten sollten.
Der erste Schritt zur Kosteneinsparung war die Einführung von Baunormen. So konnten die Gebäude nach einheitlichen Plänen rationell hergestellt werden. Im zweiten Schritt sollte am Baumaterial gespart werden. Es zeigte sich, dass der inzwischen günstige Beton bei feuchten und instabilen Untergründen durchaus Vorteile bot, Baukosten sparen ließen sich damit aber nicht nennenswert.
Das Buch, das Schlierholz über seine Ideen und Vorschläge schrieb, fand dennoch große internationale Beachtung.
Um 1900 entstanden in Europa die ersten eisenbewährten Betonbrücken, wenige Jahre später die ersten Stahlbetonhochbauten. Mit dem Bau der neuen Brauereianlagen der UBG (Ulmer Brauerei Gesellschaft, später Münster-Brauerei) gründete die Frankfurter Firma Buchheim & Heister in der Weststadt eine Zweigniederlassung mit eigenem Glausanschluß. Buchheim & Heister hatte sich inzwischen einen hervorragenden Ruf im Beton und Eisenbau erarbeitet und war führend im Brücken- und Gewölbebau. Auch die Stuttgarter Baufirma Rek, ebenfalls im Eisenbetonbau erfahren, zog mit einer Niederlassung an das Westgleis. Ulmer Bauunternehmen hielten sich bei diesem weiterhin schwierig zu beherrschenden Bauverfahren vorerst noch zurück.