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Torf, Ton und Ziegeleien


Weitgehend in Vergessenheit geraten ist ein Industriezweig, der in Ulm lange Zeit nicht unbedeutend für das Wirtschaftsleben war, der Abbau von Torf für Heizzwecke und der von Ton zur Produktion von Ziegel.

Torf3,5
Torf ist eine organische Ablagerung mit einem guten Brennwert, die in Mooren aus unvollständig zersetzten pflanzlichen Substanzen entsteht. Die Region Oberschwaben-Bodensee ist besonders reich an Mooren und Torf war als Heizmaterial schon den Römern bekannt. Mit der systematischen Entwässerung der Moore zum Zweck des Torfabbaus begann man allerdings zuerst Anfang des 17.Jahrhunderts in Norddeutschland. Eine wirtschaftliche Bedeutung erlangte der großflächige Torfabbau in Süddeutschland erst ab Anfang des 18.Jahrhunderts, als die Wälder in weiten Bereichen abgeholzt waren und alternative Brennstoffe gesucht wurden. Die Preise für Bauholz stiegen immer weiter an und auch Holz als Brennmaterial wurde immer teurer. Kohle konnte wegen der großen Entfernung zu den Förderstätten noch nicht importiert werden. Der Torf aus den Mooren Oberschwabens war dagegen eine günstige Alternative, die nicht weit transportiert werden musste.

Als erster errichtete ein Stuttgarter Unternehmer 1846 in Langenschemmern (heute Ortsteil von Schemmerhofen) eine Fabrik zur Herstellung von Torf-Briketts. Damit sollte der Transport und die Handhabung dieses Brennmaterials erleichtert werden. Drei Jahre später wurde auf der Bahnstrecke Friedrichshafen-Biberach, die zu der Zeit noch keinen Anschluß nach Ulm und ins Unterland hatte, erstmals getestet, ob Lokomotiven mit Torf geheizt werden können. 1857 waren dann die Holzpreise so weit gestiegen, dass sich die württembergische Eisenbahnverwaltung zum Lokomotivbetrieb mit Torf entschloß. Durch den hohen Materialbedarf war bei torfgeheizten Loks jedoch ein zweiter Heizer notwendig. Mit zunehmender Verfügbarkeit von Steinkohle aus Mitteldeutschland und den dafür geltenden günstigen Frachttarifen verloren dann aber die Torfwerke zum Ende des 19.Jh. die württembergische Eisenbahn als Hauptabnehmer.

Torfstiche gab es laut einer Oberamtsbeschreibung von 1836 in Ulm, Einsingen ('Göcklinger Ried'), Ehrenstein, Söflingen, Langenau, Rammingen, Asselfingen und Stotzingen. Der Torf aus Erbach, Allmendingen, Unterstadion und Moosbeuren hatte dagegen wegen seines hohen Sand- und geringen Lehmanteils kaum eine wirtschaftliche Bedeutung.
Mit dem Torfabbau bei Einsingen wurde schon 1617 begonnen. Wegen seines hohen Ölgehaltes eignete er sich besonders gut als Brennstoff.
Der Torf aus den lokalen Vorkommen entlang der Donau diente bis Mitte des 19.Jahrhunderts nicht nur in vielen Wohnhäuser der Stadt als billiger Brennstoff, er wurde auch oft in den Kesseln der Gerber und der Brauereien eingesetzt.
Der Abbau endete aber schon vor der Mitte des 19.Jahrhunderts nachdem die meisten örtlichen Vorkommen ausgebeutet waren.

Der Torf für Ulm wurde in Form von Backsteinen gestochen, getrocknet und körbeweise zu ca. 25-30 Stück auf dem Markt verkauft.
1744 versuchten die Ulmer Schmiede Torf zu verkohlen, 1822 scheiterte man in Langenau mit dem Versuch der Verschwelung zu Teer. Beides scheint zwar technisch funktioniert zu haben, den Einsatz der Produkte bzw. deren Vermarktung verhinderte dann aber wohl der damit verbundene üble Geruch.

Torf hat als Heizmaterial schon längst ausgedient. Durch den Bau der Eisenbahn konnte ab Mitte des 19.Jahrhunderts auf die viel günstigere Kohle umgestiegen werden. Die Unternehmen, die Torfabbau betrieben, haben in der Ulmer Region nie ein industrielles Niveau erreicht.

An einzelne geschichtliche Aspekte des frühindustriellen Torfabbaus wird zwar hin und wieder durch Vorträge erinnert. So wurde z.B. 2019 im Rahmen des Abend der Technikgeschichte von Prof. Künzel der Torfabbau im Donauried bei Ulm vorgestellt. Diese Abhandlung wurden aber leider nicht veröffentlicht, so dass eine Literatur zu diesem Thema nur spärlich vorhanden und kaum bekannt ist.
Auf ein Werk soll hier jedoch noch hingewiesen werden:
Lesenswert ist auch der Beitrag von Martin Eckoldt:

In der Stettin'schen Verlagsbuchhandlung Ulm ist 1845 die "Lehre vom Torf" erschienen. Kaspar Papius erläutert darin anschaulich die Entstehung und Zusammensetzung, den Abbau und die Nutzung des Torfs.

Ausflüge


Ton und Ziegel
Nach dem Ende der Kreidezeit und dem Aussterben der Saurier vor rund 60 Mio. Jahren brachten Gletscher aus dem Alpenraum neben Kies und Sand auch Lehm und Ton an den südlichen Rand der heutigen Schwäbischen Alb. Diese Rohstoffe, die meist nur zur Herstellung von Grobkeramiken, also hauptsächlich Ziegel, geeignet sind, lagerten sich in örtlich begrenzten Vorkommen an vielen Stellen ab und und wurden schon durch die Römer abgebaut. Man schätzt, dass es in Südwestdeutschland früher mehrere Hundert Ton- und Lehmgruben gab und jeder größere Ort seine eigene Ziegelei hatte. So auch in Ulm.3

In der Gegend um die Stadt herum sind allerdings auch größere Vorkommen von Tonerde zu finden, die für Keramiken geeignet sind. An der Albecker Steige konnte sogar Porzelanerde gewonnen werden.
Die reichen Tonvorkommen gaben den Werkstoff für das in Ulm stark vertretene Hafner-Gewerbe. Hier entstanden in 11 Werkstätten (Stand 1897) nicht nur Gebrauchsgüter des Töpferhandwerks und der Ofenbauer sondern auch bedeutende künstlerischen Arbeiten. Die Figuren der Hafnerfamilie Rommel und ein Ofen im Kiechelhaus zeugen noch heute davon. Ein 1728, also schon kurz nach der ersten deutschen Porzelanfabrik, gegründetes gleichartiges Unternehmen konnte sich allerdings nicht durchsetzen4.

Ziegel wurden in großen Mengen für den Bau des Münsters und der Bundesfestung benötigt. Dazu betrieb die Stadt schon seit dem Mittelalter eine eigene Ziegelei am unteren Galgenberg. Ermöglicht wurde die Ziegelherstellung durch eine ergiebige Lehmdecke auf der Donauschotterterrasse am Fuß des Galgenbergs.
Die Öfen dort wurden teilweise auch mit Torf aus dem nahen Gögglinger Ried befeuert. Zumeist wurde jedoch große Mengen Holz aus dem Allgäu als Brennmaterial verwendet. Der Ziegelländeweg erinnert heute noch an die den Ort, an den das über die Iller geflößte Holz gesammelt und gelagert wurde.
Die Ziegelei für den Münsterbau, schon 1580 als Ziegelstadel beim Fürstenegger Hof erwähnt, sowie zwei weitere städtische Ziegeleien für die allgemeine Versorgung mit Baumaterial, waren an einen Ziegelmeister verpachtet der zahlreiche Arbeiter beschäftigte, darunter auch Kinder. Es wurden drei Typen von Ziegel hergestellt, Kaminsteine, Backsteine und Dachziegel, diese aber in großer Stückzahl. Alle drei Produkte waren in ihren Maßen normiert und wurden streng kontrolliert. Zusammen mit den Ziegeln wurde in den Öfen, die bis zu 9 Meter lang, 7 Meter hoch und begehbar waren, auch Kalk gebrannt.

1832 verkaufte die Stadt einen der drei Ziegelstadel an den Major
→ Friedrich v. Bach
, um 1850 den zweiten kurzzeitig an die Holzhandlung Molfenter, Schwarzmann u. C., dann aber an
→ Johannes Scheiffele
. Den dritten schließlich ca. 1860 an den Maurermeister
→ Wilhelm Fuchs
.
Nach 1859 scheint der Fürstenegger Hof (Ausserhalb 672), zu dem die Ziegelstadel gehörten, nur noch als Ausflugslokal genutzt worden sein. Mittlerweile hatten sich aber in seiner Nähe schon weitere Betriebe dieser Branche angesiedelt wobei sich die Firma
→ Hillenbrand
durch den Zukauf anderer Ziegeleien zum Anfang des 20.Jahrhunderts zum lokalen Marktführer entwickelte.

Geeignete Tonvorkommen erlaubten auch am Roten Berg eine Ansiedlung einer Ziegelei.
Nachdem die Ton- und Lehmgruben weitgehend erschöpft waren musste die Ziegelproduktion noch vor dem 1.WK in Ulm eingestellt werden.1

Ziegeleien gab es ausser am Galgenberg und in Söflingen auch in Jungingen, Unterkirchberg, Humlangen, Langenau, Pfuhl, Söglingen bei Altheim (Alb) und in Oberstotzingen. Laut einer Oberamtsbeschreibung von Ehingen gab es 1893 noch 16 Ziegeleien im Bezirk2.

Von den Betrieben, die diese beiden Naturprodukte verarbeitet haben, hat keine bis heute überlebt. Selbst der aus Neu-Ulm stammende und weltweit tätige Hersteller von Maschinen für die Ziegelproduktion, die Firma Lingl, musste 2020 Insolvenz anmelden.

Einen allgemeinen Einstieg in das Thema Ziegelproduktion und einen Überblick über die archivalisch belegten Ziegeleistandorte in Ulm erhällt man im Exzerpt zur Masterarbeit von Claudia Eckstein:
Das Ulmer Münster - Bauforschung zum spätgotischen Backsteinbau im westlichen Donauraum.
→ Das spätmittelalterliche Ziegeleiwesen der Stadt Ulm
(Otto-Friedrich-Universität Bamberg Institut für Archäologie, Denkmalkunde und Kunstgeschichte Professur für Bauforschung und Baugeschichte, 2014)
Ausführlicher erschienen auch im Band 61/2019, Ulm und Oberschwaben - Zeitschrift für Geschichte, Kunst und Kultur

Die Geschichte der Ulmer Ziegeleien haben Albert Haug und Frieder Hillenbrand in einer Arbeit für das ZAWiW über die Industriekultur in Ulm zusammengefasst. → Literaturliste Wirtschaftsgeschichte




Firmenliste Ton, Torf und Ziegeleien



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Quellen:
1: Albert Haug, Frieder Hillenbrand - Baumaterial aus Ulm: Ziegel und Zement, erschienen in "Industriekultur in Ulm bis zum Zweiten Weltkrieg", ZAWiW 2001
2: Kgl. Württ. Statistisches Landesamt (Hrsg.) - Beschreibung des Oberamts Ehingen, Kommisionsverlag Kohlhammer, Stuttgart 1893 → google.books (Stand: 3.4.2023)
3: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Abt.9 (Hg.) - LGRB-Informationen 18, Rohstoffbericht Baden-Württemberg 2006
4: K. Statistisches Landesamt (Hrsg.) - Beschreibung des Oberamts Ulm, Kommisionsverlag Kohlhammer, Stuttgart 1897, Bd.2, S.144→ google.books (Stand: 12.7.2023)
5: Franz Renner - Die Südbahn und der Torf, in: Die schwäbische Eisenbahn, Frank Brunecker (Hg.), Biberacher Verlagsdruckerei, 2013
alle anderen Daten: Stadtarchiv Ulm, Adressbuch 1812 - 1939


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