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Textil, Leder und Bekleidung

Früher von enorm wichtiger Bedeutung für die Wirtschaftskraft der Stadt taucht die Textiltindustrie im Branchenmix der Region heute so gut wie nicht mehr auf.
An sie soll hier dennoch erinnert werden.





Die Ulmer Alb und die Stadt waren schon immer ein Zentrum des Textilhandels, der Textilherstellung und des Bekleidungswesens. Bis zu Beginn des 14.Jh. spielte die Verarbeitung von Schafswolle und Flachs eine wesentliche Rolle wobei die Rohwolle überwiegend aus dem Ausland importiert werden musste.
Verarbeitet wurde die Wolle durch die Grautucher- und Marner-Zunft. Grautucher fertigten dabei die feineren Textilien an, Marner, auch Loderer genannt, die groben. 1457 schlossen sie sich mit den Hutmachern und Fäbern zur Marnerzuft zusammen. Zur Aufbereitung der Wolle und zur Herstellung der Walkstoffe (Loden) betrieben die Marner in der Stadt mehrere Mühlen. Die heute noch bekannteste war die
→ Marner Walk

Ab dem 14.Jahrhundert entwickelten die Weber ein neues Mischgewebe aus dem heimischen Flachs (Leinen) und der hauptsächlich über Venedig bezogenen levantinischen Baumwolle, den Barchent.
Im 15.Jh. wurden die heimischen Produkte zunehmend von feinerer niederländischer und englischer Ware verdrängt. Für den Wollhandel blieb Ulm aber mit dem Sitz der Südd. Wollverwertung bis zum Ende des 20.Jahrhunderts ein wichtiger Umschlagplatz.
Die in handwerklicher Heimarbeit in den Dörfern und Höfen produzierten Textilien wurden auf den großen Märkten in Ulm und Augsburg gehandelt und wegen ihrer hohen Qualität in die gesamte damals bekannte Welt exportiert.
Entscheidente Verbesserungungen am Webstuhl und die Einführung eines Verlagssystems, bei dem Unternehmer (reiche Kaufleute und Patrizier) den meist armen Handwerkern den Kauf der Rohware vorfinanzierten und für die hergestellte Ware einen festen Lohn bezahlten, führten zu einer frühen Form von Industrialisierung in diesem Gewerbe. Stoffballen mit Ulmer Barchent, deren Herkunft und damit Qualität durch ein entsprechendes Siegel nachgewiesen waren, erbrachten hohe Erlöse und galten zeitweise gleich einem Zahlungsmittel. 1,2

1514 führte der Kaufmann Martin Scheller in Ulm die Herstellung von Samt ein. Er brachte das "tuch machen auff die welsch art" von seinen Handelsreisen nach Rom und Como mit. Scheller agierte als Verleger. Aber da die Herstellungsverfahren unter den Ulmer Webern kaum bekannt waren, holte er auch italienische Weber für einen "know-how Transfer" in die Stadt. Die Samtweberei überbrückte eine Phase der Arbeitslosigkeit, die ab 1512/13 durch eine Baumwollknappheit infolge des Krieges zwischen Maximilian I. und dem französischen König Franz I. entstanden ist.3 Durchsetzen konnte sich dieses Produkt jedoch nicht, zum Ende des 16. Jh. blühte die Barchentweberei wieder auf.

Die Entwicklung blieb jedoch nicht stehen. Neue Produktionsverfahren, verbesserte Textilien und veränderte Handelswege sorgten bald für einen Kostendruck, dem sich die Ulmer lange mit dem Beharren auf traditionelle Zunftordnungen, alte Privilegien und liebgewonnene Gewohnheiten erfolglos zu entziehen versuchten.
Ende des 18.Jahrhunderst hatte dieser Gewerbezweig, der einst entscheident zum Wohlstand der Stadt beigetragen hat, dann seine Bedeutung gänzlich verloren.

Ein paar findige Köpfe wollten sich jedoch nicht mit diesem Niedergang abfinden und versuchten, ihr Metier durch die besonders in England in großem Massstab eingesetzten neuen mechanischen Webstühle wieder zu beleben. Der "Mechanikus" Johann Georg Krauss eröffnete 1856 seine Baumwollweberei in der ehemaligen Ulmer Spitalmühle.
→ Ulrich Steiger sen.
,
→ Albert Deschler
und Franz Xaver Schlaepfer errichteten 1868 in der ehemaligen Drahtzieherei Beck in Söflingen eine Weberei mit 10 Webstühlen. Dazu gesellten sich
→ J.H. Neuburger
mit seiner Weberei und Weißwarenfabrik am Judenhof und die Mechanische Weberei von
→ Leopold Levinger
in der Oststadt.
Allein, es blieb das Problem der Energiegewinnung für diese Maschinen. Bis sich Dampfmaschinen durchgesetzt haben stand dafür in Ulm nur die Wasserkraft der Blau zur Verfügung. Diese war aber schon durch alteingesessene Mühlen und die städtischen Pumpwerke zur Trinkwasserversorgung mehr als ausgeschöpft. Neue Betriebe siedelten sich daher eher im Umland an, wo Donau und Iller besser genutzt werden konnten. Kraus zog deshalb mit seiner Mechanische Weberei Ulm nach Ay bei Senden, die Firma
→ Walker
siedelte sich 1894 in Rottenacker an und die
→ Gebr. Otto
in Dietenheim gibt es seit 1901.
Darüber hinaus haben sich hier auch einige Firmen angesiedelt, die sich als Garnhersteller oder Appreturanstalten den Vor- und Zwischenprodukten widmen oder als Bekleidungs- und Wäschefabrik die vielfältigsten Endprodukte herstellten. Die Schürzenfabrik von
→ Emil Herbst
ist noch manchem alten Ulmer bekannt, die Wäschefabrik
→ Ege & Lang
besteht weiterhin als exclusive Textilmanufaktur und die Strickwarenfabrik von
→ Ludwig Wanner
kennt heute noch jeder als Modehaus Woll-Wanner in der Hirschstraße.

Die besonders in Oberschwaben stark vertretene Viehwirtschaft mit Ulm als Umschlag-Zentrum dieser landwirtschaftlichen Produkte mag ein Grund sein, dass sich vor Ort auch namhafte Hersteller von Lederwaren angesiedelt haben. Noch gut in Erinnerung sind besonders die Namen
→ Gabriel Lebrecht
und
→ Jerome Leplat
.
Als weiterer Grund kann aber mit Sicherheit die hohe Nachfrage nach ledernen Ausrüstungsgegenständen gelten, die durch die in der Bundesfestung stationierte Garnison ausgelöst wurde. Schäfte, Stiefel, Gürtel und Riemen wurden hier in großen Mengen benötigt. Über den Zeiten- und Technologiewandel hinweg gerettet hat sich die Firma
→ Friedrich Schäfer
, heute Produzent innovativer Antriebs- und Fördertechnik.

Quellen:
1: Rudolf Hirschmann, Die Industrieentwicklung in Ulm seit dem Mittelalter
2: Kurt Hettler, Ulms Wollhandel und Wollgewerbe, in: Ulmer Historische Blätter, Nr.7, 1925, Kap. Drei ungedruckte Ulmer Geschichtswerke
3: Rudolf Holbach, Städtische und herrschaftliche Gewerbeförderung, Innovation und Migration im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit




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